Es gibt nichts zu erreichen

Heute schreibe ich über den Unterschied zwischen dem althergebrachten menschlichen Leben und dem Leben als göttlicher Mensch. Dieser Unterschied ist fundamental und bedeutet einen totalen Paradigmenwechsel. Das alte menschliche Selbst will ständig etwas erreichen. Nämlich wirklich ständig, von ein paar glücklichen Momenten abgesehen. Es hat eine Grundhaltung, die besagt, dass es noch viel zu erreichen gibt. Der göttliche Mensch hingegen will nichts erreichen, zu keiner Zeit. Der göttliche Mensch will leben und Freude und Spaß haben. Jetzt, nicht in der Zukunft.

Manche Menschen wollen ihre Erleuchtung erreichen. Das geht schon einmal gar nicht. Siehe dazu das kleine Einmaleins. Andere Menschen wollen finanziellen Wohlstand erreichen. Wieder andere wollen Gesundheit erreichen. Manche Menschen wollen erreichen, endlich etwas loszulassen, was sie belastet. Dann denken sie darüber nach, wie sie es erreichen, loszulassen. Hm. Manche wollen erreichen, dass ihr Verstand weniger aktiv ist. Und dann denken sie darüber nach, wie sie die Verstandesaktivität reduzieren können. laugh Oder sie meditieren, bis sie alt und grau sind. Andere Menschen wollen nährende Beziehungen erreichen. Wieder andere einen besseren Job. Menschen wollen Zufriedenheit erreichen oder Glück. Manche wollen den Tod erreichen, und auch dabei scheitern die meisten. Was es auch sei, Menschen wollen ständig etwas erreichen.

Im Erreichen-Wollen bist du in einem Hamsterrad, aus dem es kein Heraus gibt. Du hast ständig eine Karotte vor der Nase, der du hinterher läufst. Doch je mehr du läufst und rennst, in desto weitere Ferne rückt das, was du willst. Ist dir das schon einmal aufgefallen? Je weiter du im Erwachensprozess voran schreitest, desto schwieriger wird es, etwas zu erreichen. Dein Verstand gaukelt dir vor, dass die Lösung zum greifen nahe ist. Du musst die Sache nur noch ein bisschen im Verstand bearbeiten, und dann erreichst du, was du erreichen willst. Doch was passiert? Das zu Erreichende rückt noch ein großes Stück weiter weg. „Ah, zu wenig daran gearbeitet“, sagt der Verstand. Also weiter arbeiten. Die Spirale nach unten ist in vollem Lauf.

Ganz fies wird es, wenn sich dein Verstand als deine Göttlichkeit ausgibt. Er kann das, er kann sich viele Gewänder anziehen, und er tut es auch. Dann glaubst du, du benutzt deine göttliche Weisheit, um etwas zu erreichen. Aber du spürst es, wenn du aufmerksam bist. Der Verstand, auch wenn er sich als Göttlichkeit ausgibt, ist und bleibt flach. Es fehlt die Tiefe, die du augenblicklich spürst, wenn du wirklich Weisheit wahrnimmst. Und schließlich eines: die Göttlichkeit weiß, dass es nichts zu erreichen gibt. Sie würde dir niemals eine Karotte vor die Nase halten, sie würde dich niemals in das endlose Hamsterrad zwingen.

Wenn du etwas erreichen willst, musst du etwas tun. Augenblicklich bist du im Modus des Tun-Müssens. Du hast eine Agenda, der du – oft unbewusst – dein ganzes Leben unterordnest. Du musst etwas tun, du musst dich anstrengen, um das zu erreichen, was du erreichen willst. Gut, vielleicht sagst du, du strengst dich nicht an. Du legst ein paar kleine Hebel um, und schon erreichst du das Gewünschte. Abgesehen davon, dass ich glaube, dass das nur auf sehr, sehr wenige Menschen zutrifft, bist du dann noch immer in dem Hamsterrad der Agenda. In jedem Fall ist dein Handeln und auch dein Denken zwanghaft. Es ist nicht frei. Freies Handeln geschieht ausschließlich aus Freude, ohne jeden Fokus auf etwas, das es zu erreichen gilt. Zwanghaftes Handeln ist immer dieses Tun-Müssen, um etwas zu erreichen.

Oft gaukelt dir dein innerer Antreiber vor, dass du nur noch eine Sache erreichen musst. Nur noch diese eine Sache, und dann ist alles gut. Also setzt du alles daran, diese eine Sache zu erreichen. Und was passiert, wenn du mit größter Anstrengung diese eine Sache erreichst? Sofort steht dein Antreiber da und sagt: „Und jetzt noch jene Sache, dann hast du den Himmel auf Erden.“ Hamsterrad! Es gibt nie nur noch diese eine Sache. Es kommt sofort die nächste, und die nächste. Also widerstehe der Versuchung zu glauben, es gäbe nur noch diese eine Sache, und dann wäre das Ende der unendlichen Strecke der Dinge, die du erreichen musst.

Das Hamsterrad ist ein Gefängnis. Die Karotte ist ein Gefängnis. Sie sorgt dafür, dass du nur auf die Karotte schaust und nicht siehst, was es sonst noch alles gibt. Also, etwas erreichen zu wollen, ist ein Gefängnis. Und zwar eines, das immer kleiner wird, je stärker du etwas erreichen willst.

Vielleicht denkst du nun, du müsstest jetzt nur noch aufhören, etwas erreichen zu wollen. Das sei die eine Sache, die du noch erreichen musst. Du müsstest erreichen, nichts erreichen zu wollen. Nein! Halt! Stopp! Es gibt nichts zu erreichen. Punkt.

Es gibt nichts zu erreichen, weil alles bereits da ist. Es ist alles bereits da, was du jemals erreichen wollen könntest. Und noch viel mehr. Es ist in dir, es ist bereits da. Leider sind sich dieser Tatsache selbst sehr bewusste Menschen nicht oder kaum bewusst. Auch sie glauben gerne, dass es noch etwas zu erreichen gäbe, dass nicht alles bereits da wäre.

Auch ich sehe nur selten, dass alles da ist. Ich sehe es dann bildlich vor Augen, die ganze unendliche Fülle. Und natürlich fühle ich es augenblicklich. Ich sehe und fühle diesen unglaublichen Reichtum. Ein starkes und ganz und gar großartiges Gefühl! smiley Ich habe es zwar nur selten, aber es macht einen Unterschied. Dieses Gefühl vergesse ich nicht. Ich kann auf dieses Bild und dieses Gefühl immer wieder referenzieren, wenn ich gerade glaube, dass etwas fehlen würde und ich etwas erreichen müsste.

Es ist bereits alles da. Du kannst dir dann aussuchen, was du haben willst. Das bedeutet, du suchst dir aus, was du erfahren und erleben willst. Das ist die Bedeutung von wählen. Wählen ist nicht die Formulierung eines Wunsches. Wählen ist das Aussuchen von etwas, das in dir bereits vorhanden ist, und das ist eben alles.


In den Gesprächen mit meinen Klienten kommt die Sprache immer wieder auf dieses Thema. Natürlich geht es nicht nur darum, aber es ist praktisch immer ein Bestandteil des Gesprächs. Meine Klienten sind ja auch Menschen, und die wollen eben etwas erreichen. Ich zeige ihnen dann die göttliche Perspektive auf das Problem, das sie quält. Ich helfe ihnen bewusst zu machen, worum es hier geht. Und dann sage ich: „Du musst nichts tun. Es genügt, dass es dir jetzt bewusst ist.“ Dabei ernte ich oft Verblüffung, aber ich spüre auch das Gefühl der Erleichterung dahinter. Sofern es da ist, denn manche Menschen bestehen darauf, etwas zu tun.

In Gesprächen sorgt das für erhellende Momente. In der Regel findet aber erst in einer Begleitung der Paradigmenwechsel statt. Ich merke, dass in einer Begleitung das Thema Erreichen-Wollen bzw. Nichts-tun-Müssen immer wieder kommt. Und immer wieder erinnere ich den betreffenden Menschen daran, dass es nichts zu tun gibt, weil bereits alles da ist. Das ist kein Wunder und auch keine Dummheit der Menschen. Das Hamsterrad ist ein fester Bestandteil des Massenbewusstseins, und zwar seit je her. Sich da heraus zu schälen ist keine Sache, die von heute auf morgen passiert. Dieses Bewusstsein, nicht einfach zu wählen, sondern aktiv zu werden, um ein Ziel zu erreichen, ist tief in jedem Menschen verankert.

Aber das Hamsterrad ist reine alte Energie. Sich dessen bewusst zu sein, dass alles bereits da ist, ist für den Menschen im Grunde sehr fremd. Sehr fremd heißt sehr neu. Ein bewusster Mensch muss sich erst daran gewöhnen, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass bereits alles da ist und somit jedes Erreichen-Wollen weg führt von ihm selbst. Und damit weg von seiner Göttlichkeit und einem Leben als göttlicher Mensch in der Neuen Energie. Und dann, wenn du nichts mehr erreichen willst, zeigt sich alles, was du nicht gesehen hast, weil du nur auf dein Ziel ausgerichtet warst. Dann offenbaren sich Lösungen, dann werden Dinge Realität, die du so lange erreichen wolltest und nicht erreicht hast. Und andere Dinge, an die du überhaupt nicht gedacht hast.

Kommentare

Es passt perfekt in die Zeit
Ich trage gerade genau dieses Thema immer wieder mit mir, manchmal etwas bewusster und manchmal kommt der Verstand wieder im genannten Gottesgewand und gaukelt mir vor ich müsste jetzt etwas tun. Neue Beziehungen schaffen, mehr Geld bekommen ein neues Umfeld entdecken. natürlich nicht so dass ich danach suchen muss, aber auf jeden fall so, dass ich dran bleibe ;) dann gibt es nichts mehr als nur noch diese Gedanken weiter zu denken.
und dann, zwischendurch kommt genau jenes Gefühl, was sagt, dass alles bereits da ist. Wenn ich mich als suchender identifizier, finde ich immer dinge, die ich noch erreichen müsste, auch wenn ich weiß, dass ich bereits da bin. und das zu erkennen, puh, das ist manchmal heftig. erleichternd aber auch heftig, dann ist alles, worüber man sich in den letzten Tagen den Kopf zerbrochen hat, völlig irrelevant und bedeutungslos.
manchmal überfordert es mich sogar, zu wissen, dass es nichts zu tun gibt, als ob es das alles schon, als ob das alles in mir ist. es ist so verankert, immer was zu tun, dass selbst diese Momente des wahren Erkennens so surreal rüberkommen, dass der Verstand im nächsten Moment wieder etwas findet, was er jetzt machen kann.
daher kann ich mich sehr gut relaten, dass es genau um jene Momente geht, in denen das Gefühl erscheint und dir sagt, dass du bereits schon alles in dir hast. du musst nur wählen was du willst. und selbst das ist manchmal schwer zu fassen :)
Liebe Grüße

Für das empirische Ich (das kleine ich, die Person), das in der dualen Erfahrung feststeckt, gibt es immer etwas zu erreichen. Wenn ich krank bin, will ich gesund werden (zum Beispiel). Ich tue etwas dafür. Daran ist nicht falsch,
Nun kommt die spirituelle Praxis anmarschiert. Ich will mit Sadhana das wahre Selbst erreichen. Und "schaffe" es nicht. Plötzlich die Erkenntnis, ich kann nichts dafür tun. Was für ein befreiender Moment - ein "moment of excellence". Und dann zurück in das, was du Hamsterrad nennst. Es ist das gleiche Hamsterrad, aber dennoch anders - same, same but different - denn: wenn ich nichts tue (auf Sadhana verzichte) werde ich es auch nicht erreichen.

Hallo Mannelito,

was du beschreibst, ist die klassische Zwickmühle des menschlichen Selbsts. Das menschliche Selbst will ständig etwas erreichen, weil es glaubt, es gäbe etwas zu erreichen, was ein Irrglaube ist. Tatsächlich ist alles da, im Hier und Jetzt. Was also erreichen? (Du nennst das menschliche Selbst das kleine Ich. Irgendwie passend, bloß ist es alles andere als klein. Aber das führt in ein längeres Gespräch.)

Das Beste ist, dass du das alles selbst weißt.

Plötzlich die Erkenntnis, ich kann nichts dafür tun. Was für ein befreiender Moment

In der Tat ein sehr befreiender Moment. smiley

Es ist das gleiche Hamsterrad, aber dennoch anders

Hamsterrad ist Hamsterrad. Lüg dir nicht in die Tasche.

Liebe Grüße

Reiner