Das machtlose Leben

Dieses Kapitel würde auch in die Hauptkapitel Übergang, Neue Energie und Schöpfung passen, denn das machtlose Leben beginnt im eigentlichen Erwachensprozess, im Übergang. Es hat unmittelbar mit Neuem Bewusstsein zu tun, und es erfordert eine neue Art von Schöpfung, der Schöpfung im Integrierten Bewusstsein. Doch am besten passt es hierher, weil in der Regel erst erleuchtete Menschen beginnen, die Feinheiten des machtlosen Lebens deutlich wahrnehmen und es immer mehr bewusst zu leben. In der Regel, das gilt also nicht grundsätzlich und für alle.

Die ganze alte Welt basiert auf Macht, bis ins kleinste Detail. Denn die alte Welt ist dual, sie basiert auf Dualität, und Macht ist ein Ausdruck der Dualität. Das ganze alte Leben basiert darauf, dass jemand will, dass jemand anderes etwas tut oder unterlässt. Oder dass Umstände und Abläufe sich so und so verhalten. Und auch, dass er sich selbst so und so verhält. Dabei wird immer Anstrengung aufgewendet, damit das gewünschte Verhalten bzw. das gewünschte Ergebnis erreicht wird. Die Anstrengung kann Druck und Zwang sein, Verführung, Überredungskunst, Manipulation, Opferspiel (!), Drohung und ähnliches. Eben alles, was geeignet scheint, das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Macht findet man reichlich in Paarbeziehungen. Einer gibt den Ton an, der andere spielt mit. Oder er weigert und wehrt sich und wendet seinerseits Macht an. Kindererziehung ist ein Machtspiel, wobei die Kinder meistens die Unterlegenen sind. Menschen lernen also von Kindheit an, dass sich das Leben um Macht dreht. Generell sind Familien ein Machtgefüge. Je größer die Familie, desto größer das Ausüben von Macht.

Schulen sind ein Ort der Machtausübung. Alleine der Umstand, dass das Verhalten und die Leistung von Schülern benotet, also bewertet wird, ist ein großes Machtinstrument. Von der Machtausübung einzelner Lehrer will ich erst gar nicht sprechen. Universitäten sind fast dasselbe.

In der gesamten Arbeitswelt geht es um Macht. Macht der Vorgesetzten über die Mitarbeiter. Macht unter gleichrangigen Mitarbeitern. Macht der Arbeitgeber über Arbeitssuchende. In größeren Firmen kämpfen die Leute im Topmanagement um Macht und wenden Intrigen an. Das Unternehmen macht Werbung, um seine Produkte zu verkaufen, Auch das ist Anwendung von Macht, durch Verführung, Manipulation und Überredung. Großaktionäre üben Macht über den Vorstand aus. Große Firmen üben Macht über kleine Firmen aus. Regierungen üben Macht über Firmen aus, und Firmen üben Macht über Regierungen aus. Es ist nur eine Frage der Größe.

Regierungen üben Macht über alle aus. Sie machen die Gesetze, also die Vorschriften, die von Behörden vollzogen werden. Was der durchschnittliche Mensch, der „genötigt“ wird, diese Vorschriften einzuhalten, nicht bemerkt, ist, wie einzelne, reiche Menschen und große Unternehmen Druck auf die Regierungen ausüben, also Macht über sie ausüben.

In unseren heutigen Gesellschaften wurde den Ärzten viel Macht übertragen. Ärzte entscheiden darüber, ob jemand gesund oder krank ist. Sie entscheiden also darüber, ob jemand arbeiten muss oder nicht, ob jemand eine Sozialleistung erhält oder nicht, ob jemand einen Führerschein bekommt oder nicht, ob ein Mann zum Heer gehen muss oder nicht. Sie entscheiden sogar darüber, ob ein Straftäter ein Straftäter ist oder nicht. Über den Ärzten gibt es keine Instanz. Verwaltung und Justiz machen einfach, was ein einzelner Arzt sagt. Das gemeine Volk tut das sowieso. Wenn ein Arzt sagt, ein Patient muss dieses und jenes tun, dann wird das gemacht.

Alle drei großen Lebensbereiche, Beziehungen, Gesundheit und Geld funktionieren nach Prinzipien der Macht. Ich habe öfter erlebt, dass ein Mensch, der sich nicht in der Lage sieht, Macht über irgendwen auszuüben, aber selbst natürlich die Macht anderer erfährt, sich einen Hund kauft, damit er irgendein Wesen hat, über das er Macht ausüben kann. Mit Hunden geht das leicht, sie sind bedingungslose Diener der Menschen.

Sexualität ist ein Schlachtfeld von Macht. Nirgendwo sonst kann man so direkt und unmittelbar Machtspiele spielen wie beim Sex. Und davon wird auch reichlich Gebrauch gemacht. Die Sexualität ist ein so zentraler und wichtiger Bereich des Menschen, dass er noch immer mit den meisten Vorschriften belegt wird. Sexualität ist kreative Energie, wild und äußerst kraftvoll. Deshalb haben in der gesamten Geschichte der Menschheit alle Kulturen ihre Methoden entwickelt, die Sexualität zu unterdrücken. Was natürlich verheerende Folgen hat. Hier findet die primäre Unterdrückung des Menschen statt.

Ich habe auf arte einmal eine Dokumentation über sexsüchtige Menschen gesehen. Das sind Menschen, die zwanghaft jeden Tag Sex haben müssen, am besten mehrmals. (Ich kenne übrigens persönlich so einen Mann und bin froh, dieses Problem nicht zu haben. Er leidet auch sehr darunter.) Da wurden drei Frauen näher betrachtet und interviewt. Eine von ihnen liebte SM. Sie liebte es, richtig hart rangenommen und gedemütigt zu werden. Und sie sagte, dass sie sich dabei unglaublich mächtig fühlte. surprise Sie hatte die Macht, Männer zu verführen und sie dazu zu bringen, diese Dinge mit ihr zu machen. Die Männer taten also letztlich immer das, was sie wollte. Dementsprechend war ihr Auftreten, das keineswegs unterwürfig sondern sehr selbstbewusst und machtvoll war. Ich erwähne dieses Beispiel, weil der erste Endruck bei SM bei den meisten Menschen genau umgekehrt ist, dass der dominierende Partner der mächtige ist. Dieses Beispiel zeigt, wie scheinbar untergeordnete Menschen Macht ausüben. Und es zeigt natürlich, dass es immer und überall um Macht geht.


Ich habe all diese Beispiele aufgezählt und ein bisschen beschrieben (sehr unvollständig natürlich), um zu veranschaulichen, dass es im ganzen Leben der alten Welt um Macht geht. Macht ist das Prinzip, nach dem das Leben funktioniert. In definitiv jedem Lebensbereich.

Macht hat eine Agenda. Eine Agenda bedeutet, dass es ein erwartetes bzw. erwünschtes Ergebnis gibt. Macht heißt immer „ich will, dass du ...“. Dieses Du kann dabei auch Ich sein. Es heißt dann „ich will, dass ich ...“. Genau betrachtet heißt es, dass eine oder mehrere der tausenden Facetten, die du hast, will, dass du etwas tust oder unterlässt. Siehst du, du übst nicht nur Macht über andere aus, sondern auch über dich selbst.

Besonders deutlich wird das im Erwachen. Du unterziehst dich Übungen, um etwas zu erreichen. Du wendest Techniken an, um etwas zu erreichen. Du verbietest dir Gedanken, Denkweisen und Verhaltensweisen. Du erlegst dir Regeln auf. Das alles ist Machtausübung! Du willst Macht über dich ausüben. Du hast ständig eine Agenda, du willst ständig etwas erreichen. Dabei greifst du zu allen erdenklichen Mitteln, um dich dorthin zu bringen, wo du dich haben willst. Du machst unglaublich viel Druck auf dich. Und dann wunderst du dich, warum das Erwachen mit so viel Qual und Leid verbunden ist. Und du wunderst dich jetzt hoffentlich nicht mehr, warum dir so viel Druck von außen begegnet. Du machst ja mit dir genau dasselbe. Du hast es so gelernt, du kennst es nicht anders.

Im Erwachensprozess funktioniert Machtausübung immer schlechter. Von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat funktioniert das mit der Macht immer schlechter.Das meinte ich vor allem, wenn ich an verschiedenen Stellen davon schrieb, dass die alten Werkzeuge und die alten Zugänge immer schlechter funktionieren. Aber der Mensch greift immer wieder zu den alten Werkzeugen.

Du willst zB einen neuen Job. (Wobei einen Job haben zu wollen an sich schon sehr altenergetisch ist.) Du schreibst 50 Bewerbungen, keiner nimmt dich. Du schreibst 100 Bewerbungen – nichts. Du willst neue Freunde gewinnen, aber es geht nicht. Im Gegenteil, es verlassen dich auch noch alte Freunde. Du willst eine neue Wohnung und gehst nach demselben Muster wie beim Job vor. Natürlich kriegst du keine neue Wohnung. Du willst mehr Geld und strengst dich an, etwas zu tun, was dir mehr Geld bringt. Je mehr du dich anstrengst, desto weniger wird dein Geld. Du willst endlich deine Erleuchtung erfahren und liest noch mehr Bücher und machst noch mehr Übungen. Die Erleuchtung rückt in immer weitere Ferne.

Und dann fühlst du dich ohnmächtig wie nie zuvor. Das liegt daran, dass du ohnmächtig bist! Du hast immer versucht, Macht anzuwenden. Durch Anstrengung, durch Tun, durch Überreden, durch Überzeugen, durch Verführen, durch … Und das Schlimmste von allen, du versuchst immer wieder, mittels deines menschlichen Willens etwas zu erzwingen. Und da erlebst du deine größten Frustrationen.

Und vielleicht kommst du irgendwann an den Punkt, wo du aufgibst. Wo du dich hinsetzt und nichts mehr tust und nichts mehr wünschst. Du bist frustriert und am Ende, du hast keine Ahnung, was du tun sollst. Und plötzlich bietet dir jemand einen Job an, an den du gar nicht gedacht hast, aber der genau richtig für dich ist. Wer anderer bietet dir seine Wohnung an, die genau so aussieht, wie du sie dir erträumt hast. Wieder jemand anderes fragt dich, ob du dieses oder jenes für ihn tun könntest, und gibt dir sehr viel Geld dafür.

Das sind keine Zufälle oder Glücksfälle, das ist deine wahre Macht, die du dein ganzes Leben lang abgegeben hast. An andere Menschen, an das Schicksal, an Gott, an beliebige höhere Mächte.


Das machtlose Leben ist, wie die Bezeichnung schon sagt, das Fehlen von Macht. Es gibt kein „ich will, dass du ...“ und kein „ich will, dass ich ...“. Es gibt keine Agenda, keinen Druck, keinen Zwang, keine Pläne und keine Ziele. Denn Pläne und Ziele beinhalten ja eine Agenda, und schon geht das Spiel wieder los.

Du willst nichts mehr von anderen Menschen. Von keinem Menschen. Also willst du auch niemand zu irgendetwas bringen. Dass er vielleicht etwas tun möge, was du gerne hättest. Dieser Punkt ist zentral und wirklich wichtig. Andere Menschen sind andere Menschen. Und sie sind, wie sie sind. Punkt. Bestimmte Umstände sind, wie sie sind. Punkt.

In meinem Leben ist das schon sehr lange so, und das hat mein Leben sehr viel einfacher, sehr viel leichter und sehr viel freudvoller gemacht. Wenn mir etwas nicht gefällt, komme ich im Traum nicht auf die Idee, es ändern zu wollen. Stattdessen verlasse ich einfach die Situation, die mir nicht gefällt.

Was noch wichtiger ist als nichts von anderen zu wollen, ist, dass du von dir nichts willst. Endlich darfst du sein, wie du bist! Endlich lastet nicht mehr der Druck auf dir, den du dir selbst auferlegt hast! Endlich kein Zwang und keine Regeln mehr für dich! Wie befreiend das ist!

Wenn du fühlst, wie du dich fühlst, wenn du keine Macht mehr über dich ausübst, kannst du dir vorstellen, wie andere sich fühlen, wenn du keine Macht mehr über sie ausübst. Sie fühlen sich genauso befreit. Und das verändert dein Verhältnis zu anderen und deine Beziehungen grundlegend.

Im machtlosen Leben versuchst du nicht, etwas zu erreichen, sondern du wählst. Statt unzählige Wohnungen abzuklappern wählst du eine neue Wohnung. Statt neue Freunde zu suchen wählst du neue Freunde. Das machtlose Leben beinhaltet keinerlei Anstrengung.

Im machtlosen Leben erlaubst du. Du erlaubst, dass die Prozesse in dir ablaufen, wie sie ablaufen. Du greifst nicht ein. Du erlaubst, dass Erkenntnisse und Entscheidungen in dir reifen und du die Entscheidungen triffst, wenn sie reif sind. Du erlaubst deine Erleuchtung, wenn du sie noch nicht erfahren hast. Du erlaubst den Prozessen, die du durch deine Wahlen ausgelöst hast, sich zu entfalten, wie sie sich entfalten. Du erlaubst dir, das Leben zu genießen, anstatt mit Anstrengung an etwas zu arbeiten.

Im machtlosen Leben muss nichts, was du tust, zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein. Denn es geht darum, zu erleben und zu erfahren, was du tust. Es geht um den Schöpfungsprozess, den du gerade gestaltest und darum, dich daran zu erfreuen. Dass die Sache irgendwann fertig wird, ist ein Nebeneffekt. Ebenso erschaffst du nichts deswegen, damit es anderen gefällt. Du erschaffst es, weil du Freude daran hast, es zu erschaffen. Siehst du die Agenda hinter dem Fertigwerden und dem Anderen-gefallen-Wollen? Das machtlose Leben kennt aber keine Agenda.

Im machtlosen Leben erkennst du immer mehr, dass nicht nur du keine Macht über andere hast bzw. haben willst, sondern auch, dass andere keine Macht mehr über dich haben. Es ist anderen nicht mehr möglich, dir zu sagen, was du zu tun hast. Das prallt einfach an dir ab, es berührt dich nicht einmal. Niemand kann dich mehr steuern. Auch nicht Zufall, Schicksal, ein vermeintlicher Gott und vermeintliche höhere Mächte.

Im machtlosen Leben erkennst und erfährst du, wie mächtig du wirklich bist. Du kannst wählen und entscheiden, was immer du willst. Ohne Vorbedingung und ohne Abhängigkeit. Du kannst dein Leben gestalten, wie du willst. Genau diese Macht, deine wirkliche Macht, die dir angeboren ist, hast du ewige Zeiten an andere abgegeben, hast sie nie beansprucht. Und deshalb hast du dich ohnmächtig gefühlt, weil du immer versucht hast, mit Macht zu arbeiten.

Jeshua hat vor 2.000 Jahren gesagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Gemeint war damit nicht irgendein Himmelreich, sondern genau das, worüber ich hier schreibe, das machtlose Leben. Vielleicht wird es deutlicher, wenn ich das eine Macht und das andere Souveränität nenne. Das souveräne Leben beinhaltet keinerlei Macht der dualen Prägung.

Im machtlosen Leben vertraust du und siehst, dass du vertrauen kannst. Du kannst der Göttlichkeit, also der Seele, die du bist, vertrauen, und du kannst dem Menschen, der du bist, vertrauen. Und du kannst den Gesetzmäßigkeiten von Schöpfung vertrauen. Das sind schon alle Dinge, die du für ein echtes Leben brauchst. Wo Vertrauen ist, gibt es keine Angst.

Im machtlosen Leben erkennst du, dass Macht eine Illusion ist. Denn Macht braucht ein Gegenüber. Sie braucht jemand, gegenüber dem sie ausgeübt werden kann. Im Integrierten Bewusstsein gibt es aber kein Gegenüber, weil es keine Dualität gibt. Wenn jemand die Macht, die einer ausüben will, egal ist, ist dieser Jemand immun gegen Machtausübung. Das funktioniert einfach nicht, die Macht ist machtlos.

Du kannst mit Macht nicht in deine neue Welt kommen. Ebenso wenig kannst du Macht in deine neue Welt mitnehmen. Wie oft hast du schon gehört und gelesen, dass du nichts Altes in das Neue mitnehmen kannst? Und wie oft hast du es dennoch versucht? wink Macht gehört zu den Dingen, die du nicht mitnehmen kannst. Sie steht sogar ganz oben auf der Liste.

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Was soll ich dazu schreiben? Wenn ich deinen Beitrag lese, dann entspannt sich sofort alles in mir. Ein Aha-Moment nach dem anderen passiert. Ich kann überall nur dankbar nicken, für deine Worte, die du gefunden hast. Die fundamentale Weisheit, die hier drin steckt ist so umfassend und großartig, dass ich gar nicht weiß, wie ich das zum Ausdruck bringen soll. Ich habe das Gefühl, dass das in mir etwas abschließt und zugleich eine neue Ebene aufschließt. Es ist etwas rund geworden während es sich geöffnet hat. Ach wenn Worte nur nicht so begrenzt wären! Ich bin jedenfalls begeistert und ich wähle definitiv das machtlose Leben!

Mir gefällt besonders, dass das Moment der Entspannung gleich eingesetzt hat bei dir. smiley Das machtvolle Leben ist in der Tat sehr anstrengend. Je länger ein Mensch den Weg des Erwachens geht, desto deutlicher fällt es ihm auf. Das machtlose Leben hingegen kennt null Anstrengung. Und das ist ja wohl sehr entspannend.