In der Zeit meines Erwachens, nachdem ich die Shouds entdeckt hatte, hörte ich öfters, dass wir glaubten, nicht gut genug zu sein und ständig daran arbeiteten, uns zu verbessern. Ich hörte das nicht gerne, es kam zu oft und stimmte für mich nie. Es hatte einmal gestimmt, früher, als ich noch geschlafen hatte. Aber mittlerweile hatte ich schon gelernt, mich zu akzeptieren, wie ich war, was sich ohnehin häufig änderte.
Gut. Dann kam meine Erleuchtung, ich hörte mir im Lauf der Zeit die Shouds seltener an, mein Leben hatte sich mehrmals stark verändert, und so vergaß ich die Sache mit dem „nicht gut genug“. Etliche Jahre später entdeckte ich das Soul Café (das es leider nicht mehr gibt), wo Marisa Calvi Kuthumi channelte, der früher fixer Mitspieler bei den Shouds gewesen war. Eines Tages sprach er darüber, dass dieser Glaube, nicht gut genug zu sein, Grundlage unseres Denkens und Handelns sei. Er brachte viele anschauliche Beispiele und erklärte alles mit seiner typischen Einfachheit und seinem typischen Humor. Und da ergab das alles auf einmal einen Sinn für mich, ich konnte es nachvollziehen. Wenn ich mich auch selbst nur am Rande betroffen fühlte.
Gut. Dann zogen wieder einige Jahre ins Land, und mein Leben hatte sich wieder mehrfach verändert. Ich erinnere mich, dass es in den letzten drei Jahren mehrmals die Situation gab, dass ich sehr wenige Bestellungen bekam, zu wenig zum Leben. Und dann handelte ich immer nach demselben Muster: Ich schaute mir einzelne Dinge auf meiner Website an und dachte mir an mehreren Stellen, „das passt nicht“. Und dann begann ich, etwas zu verändern, etwas zu „verbessern“.
Und erst vor wenigen Monaten ist es mir aufgefallen. „Mensch, was mache ich da?! Ständig muss ich herum werken. Ständig passt etwas nicht. Ständig ist etwas nicht gut genug. Was? Wie war das? Es ist nicht gut genug? Das heißt wohl, ich bin nicht gut genug! Ich muss mich verbessern! Wie sonst kann es sein, dass meine Schöpfungen immer wieder nicht gut genug sind?“
Das hat mich getroffen, mehr noch, es hat mich erschüttert. Da lebe ich schon so lange in meiner Selbstliebe und akzeptiere alles an und in mir. Das ist nicht gespielt, das ist echt. Und dann merke ich, dass da tief in mir noch immer ein alteingesessenes Muster schlummert, das „Ich bin nicht gut genug“ heißt. Das war ernüchternd. Zumal ich bei anderen Menschen dieses Muster natürlich sofort sehe, wenn es da ist.
Gut, meine Erlebnisse und Erfahrungen dienten eigentlich nur als Einleitung. Sieh dir nun dein Leben an. Kommt dir dieses Muster bekannt vor? Fast alle Menschen haben es, in unterschiedlichem Ausmaß. Wir lernten unser ganzes Leben lang, dass wir etwas nicht so sondern anders machen sollten. Dass wir uns anders verhalten sollten. Dieses und jenes sollten wir auf keinen Fall tun. In der Schule ging es so richtig los. Unsere Leistungen waren nie gut genug. Ich erinnere mich, dass selbst, wenn ich ein „Sehr gut“, also die beste Note, bekam, die Lehrer immer noch etwas auszusetzen hatten. Immer wieder kam die Anmerkung, dass ich dieses und jenes besser machen könnte. Zum Druck von der Schule kommt in der Regel dann auch noch der Druck von den Eltern die Schule betreffend. „Lerne mehr, lerne länger! Mit dieser Note bekommst du Hausarrest, und Fernsehen ist gestrichen.“ Ja, die lieben Eltern, sie wollten ja immer nur das Beste für uns – und sagten uns ständig, dass wir nicht gut genug wären. Oder schlimmer noch, dass wir falsch wären. (In der Tat höre ich das von ziemlich vielen Menschen.)
Später kommt das Berufsleben. Da sind wir dann sowieso nie gut genug. Oder zumindest ziemlich häufig. Die ganze Gesellschaft basiert auf diesem Muster. Du hörst es von der Familie, von den Kollegen und Vorgesetzten bei der Arbeit, von deinem Partner, von deinen Freunden, von Behörden usw: Du bist nicht gut genug! Du hörst es auch von den Politikern andauernd und immer wieder. Alle Systeme und alle Regeln sind ständig nicht gut genug, sie müssen verbessert werden. Unterstützt wird das von der ganzen Gesellschaft, die ja aus Menschen besteht, die nicht gut genug sind. Und deshalb fordern sie von den Politikern ständig Verbesserungen ein, damit endlich irgendetwas gut genug ist. Und das alles hörtest du nicht nur in dieser Inkarnation, sondern auch in fast allen vorangegangenen! Wen wundert es da, dass dieses Muster sehr, sehr tief sitzt?
Genau genommen ist es kein Muster, sondern ein Glaubenssystem. Es gibt ein ganzes, riesiges System von Glaubenssätzen, die auf Nicht-gut-genug basieren. Und jeder einzelne Glaubenssatz erzeugt Denk- und Verhaltensmuster. Jedes äußert sich ein bisschen anders. Gegenüber deinem Partner, gegenüber der Familie, gegenüber den Vorgesetzten, gegenüber von Kunden, ja sogar beim Verhalten im Supermarkt oder einem beliebigen anderen Geschäft.
Die Menschen bewegen sich also durch ihr Leben und durch die Welt mit einem Grundgefühl von Ich-bin-nicht-gut-genug. In den meisten Fällen ist dieses Gefühl subtil, also an der Oberfläche nicht wahrnehmbar. Und in einigen Fällen spüren es die Menschen recht klar und deutlich. Da fällt mir gerade ein Mann ein, den ich vor über fünf Jahren kennengelernt habe. Eines Tages sah ich ihn auf der Straße auf und ab gehen und dabei ziemlich laut schreien. Dann bemerkte ich, dass er schimpfte, und zwar ziemlich übel, und das schreiend. Wieder etwas später bemerkte ich, dass er nicht andere, sondern sich selbst beschimpfte. Laut, übel, grauslich. Später sprach ich dann mit ihm, und er bestätigte mir, dass er sich selbst beschimpft hatte. Und er tat das ziemlich oft. Dieser Mann ist sehr umgänglich, immer höflich, freundlich und nett. Darüber hinaus weit über dem Durchschnitt intelligent und gebildet. Niemand, der ihn nicht so erlebt hatte wie ich, käme auf die Idee, dass er solche Schimpftiraden auf sich einprasseln lassen würde. Tja, er ist eben nicht gut genug, weit nicht gut genug. – Und dann fiel mir ein, dass ich öfters solche Menschen auf der Straße sehe.
Und weil die Menschen sich selbst als nicht gut genug empfinden, ist ihre Außenwelt nicht gut genug. Das Haus / die Wohnung ist nicht gut genug. Der Partner ist nicht gut genug. Die Freunde sind nicht gut genug. Die können ja wirklich oft ganz schön blöd sein! Die Produkte, die sie kaufen und konsumieren, sind nicht gut genug. Die Kinder sind nicht gut genug. (Zumindest ab einem gewissen Alter.) Die Gegend, in der sie leben, die Nachbarn, die Politik … ach, die ganze Welt ist nicht gut genug!
Glaubenssysteme sitzen tief, sehr tief. Sie bilden die Grundlage des Denkens und Handelns und des Fühlens. Und sie fallen nicht auf. Wie viele Menschen glauben, dass sie hart arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen? Wie viele Menschen glauben, dass sie etwas erreichen müssen? Wie viele Menschen glauben, dass sie etwas tun müssen, um etwas zu erhalten, was sie wollen? Wie viele Menschen glauben, dass es höhere Mächte gibt als sie selbst? Fast alle Menschen glauben das, und ganz selbstverständlich denken, fühlen und handeln sie danach. Und es fällt ihnen nicht auf. Und, falls es dir nicht aufgefallen ist, alle genannten Glaubenssysteme basieren auf dem Glaubenssystem Ich-bin-nicht-gut-genug.
Glaubenssysteme werden nicht hinterfragt. Denn ich kann ja nur etwas hinterfragen, von dem mir bewusst ist, dass es existiert. Dann kann ich fragen: „Ist das wirklich so? Oder liege ich einem Irrtum auf?“ Ich erinnere mich, dass ich ganz am Anfang meines Erwachens, also in Phase 1, gefragt habe: „Muss es wirklich so sein, dass ich für Geld arbeiten muss?“ Diese Frage änderte lange Zeit nicht viel, aber sie war ein Anfang. Ich hatte begonnen, an einem wirklich großen und tiefen Glaubenssystem zu kratzen. Im Lauf der Zeit kam immer wieder die Antwort von innen: „Nein, das muss nicht so sein.“ Langsam wurde diese Antwort zu einer Überzeugung. Freilich sorgte diese Überzeugung nicht oder nur wenig dafür, dass ich auch meine Muster änderte. Das sind alles recht langwierige Prozesse.
Dann kommt das Erwachen. Und da wird es dann immer unangenehmer. Du hast dein Glaubenssystem Ich-bin-nicht-gut-genug. Also musst du im Erwachen ständig etwas erreichen. Nämlich wirklich ständig. Du musst mehr lernen, du musst mehr üben. Im Erwachen wird dir immer klarer, dass du nicht gut genug bist. Im schlafenden Leben war das leichter. Da hast du halt zB in der Arbeit bestimmte Handgriffe und Abläufe gelernt, und vieles lief besser. Aber jetzt? Im Erwachen sind die Dinge nicht so handfest, man kann sie nicht so einfach angreifen und formen. Da sollst du lernen, dich selbst und andere bedingungslos zu akzeptieren. Da sollst du lernen, Sichtweisen einzunehmen, die du davor noch nie hattest. Da sollst du lernen, loszulassen. Da sollst du lernen, nicht zu bewerten. Und vieles, vieles mehr. Ja wie geht denn das alles?!
Und du gehst alles mit deinem Glaubenssystem an. Du bist nicht gut genug, also lernst und übst du und arbeitest an dir. So hart, wie du noch nie an etwas gearbeitet hast. Du bist nicht gut genug, du bist nicht weit genug, du bist nicht weise genug, du bist nicht bewusst genug, du bist nicht gelassen genug, du bist nicht entspannt genug, du siehst nicht genug, du erkennst nicht genug, du bist nicht meisterlich genug, du weißt noch nicht genug, du liebst dich nicht genug und und und. Die Liste hat kein Ende. Also versuchst du ständig, dich zu verbessern. Mehr noch, du versuchst, dich zu perfektionieren. Und natürlich stellst du immer wieder fest, dass du nicht perfekt genug bist, also musst du dich noch mehr perfektionieren.
Und dann gibt es erwachende Menschen, die sooo perfekt sind, weil sie sich so lange so sehr perfektioniert haben. Und die fühlen jeden Tag, dass sie nicht perfekt genug sind.
Und mittendrin meldet sich immer wieder dein menschliches Selbst und kommt mit den weltlichen Dingen. Du bist nicht schön genug, du bist nicht fit genug, du bist nicht wohlhabend genug, du bist nicht verständnisvoll genug. Und zwischendurch kommt dann die Oberkeule: du bedienst ja nur dein Ego. Also sagst du dir, du bist nicht selbstlos genug.
Und dann komme ich und sage dir: „Hör auf, an dir zu arbeiten.“ Ja, wie geht denn das jetzt wieder?! Also arbeitest du daran, nicht an dir zu arbeiten. Das scheint die schwierigste Aufgabe von allen zu sein.
Und du wunderst dich, warum du völlig ausgelaugt und fertig bist. Doch zumindest das sollte dich jetzt nicht mehr wundern.
Wer sagt denn eigentlich, dass du dieses und jenes und noch mehr lernen sollst? Dein Glaubenssystem sagt das! Ich sage das nicht. Die aufgestiegenen Meister sagen es nicht. Am allerwenigsten sagt es deine Seele. Also das Wesen, das du wirklich bist, die Seele, sagt dir niemals, dass du als Mensch nicht gut genug bist.
Stell dir einmal vor, dass du gut genug bist. Welche Konsequenzen hätte das? Sehr weitreichende, sehr fundamentale, nicht wahr? Du müsstest nicht mehr an dir arbeiten. Du müsstest in nichts mehr besser werden. Du müsstest dich nicht mehr perfektionieren. Du müsstest nichts mehr erreichen. Du müsstest nicht mehr irgendwie sein, um zu gefallen. (Wem eigentlich?) Stell es dir vor, und dann fühle es:
Ich bin gut genug.
An mir gibt es nichts zu verbessern.
Nichts zu verbessern.
Ich bin perfekt so, wie ich bin.
Meldet sich da eine Stimme in dir? Eine Stimme, die sagt: „Aber da ist noch das, und das. Da muss ich doch ...“ Schschsch. Es ist nur eine Stimme, das bist nicht DU.
Dein ganzes Leben wäre auf einmal völlig anders. Wirklich dein ganzes Leben, wirklich völlig anders. Alles würde von dir abfallen. Alles wäre plötzlich leicht. Du müsstest nirgendwo mehr hingelangen. Und alles liegt nur an diesem Schalter: gut genug oder nicht gut genug.
Dein Sein genügt. Für alles.
Kommentare
Da muss ich schmunzeln …
Da muss ich schmunzeln
Wahrlich - das war bisher wirklich meine größte Herausforderung lieber Reiner .
Ja, das dachte ich mir schon…
Ja, das dachte ich mir schon, dass du an dieser Stelle schmunzeln würdest.