Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie fast alle Menschen täglich andere Menschen runtermachen. Mit fast alle meine ich wirklich fast alle, wesentlich mehr als 99,9%. Und ich rede dabei nicht einmal von dem offensichtlichen Runtermachen, das jedem auffällt. So wie Eltern ihre Kinder zurechtweisen oder gar schimpfen, wie Chefs ihre Mitarbeiter klein halten, wie Behörden mit den Bürgern umgehen oder wie Banken mit ihren Kunden umgehen. Ich rede von dem subtileren Runtermachen, das fast niemand mehr bewusst auffällt, weil es jeder täglich gewöhnt ist.
Da erzählt jemand seinen Freunden, was er gemacht hat und worauf er stolz ist. Und schon kommen Aussagen, die sinngemäß lauten, „Na, hast du das wirklich so gut hingekriegt? Vielleicht ist dir nicht aufgefallen, dass ...“ oder „Bist du wahnsinnig? Hast du nicht daran gedacht, welche Konsequenzen das hat?“ „Na, da wird sich deine Familie aber freuen.“ (Gemeint ist natürlich das Gegenteil.) „Du hast vielleicht Nerven!“ Usw. usf.
Kürzlich sah ich auf Facebook einen Link auf eine Seite, wo 14 Punkte aufgezählt wurden, die einen Lehrer zu einem beliebten Lehrer machen (nach angeblicher Einschätzung von Schülern). Ich las mir das durch und antwortete dann auf den Beitrag: „Ich erfüllte in meiner Lehrerzeit nur vier der 14 Punkte und war trotzdem sehr beliebt bei den Schülern.“ Daraufhin die Antwort: „Es ist halt immer die Frage, für wie beliebt wir uns halten und wie beliebt wir wirklich sind.“ Ein hervorragendes Beispiel! Sofort den anderen zurück stutzen, klein machen und seine Werke und seine Urteilskraft in Frage stellen. - Das ist natürlich lächerlich, ich war enorm beliebt. Scharen von Schülern, Lehrerkollegen und weitere Zeugen können das jederzeit bestätigen. Ganz zu schweigen von meiner eigenen Wahrnehmung. Ich könnte eine lange Liste von Beispielen aufzählen, wo die meisten Lehrer vor Neid erblassen würden. Aber darum geht es nicht.
Runtermachen. Fast jeder tut es, jeden Tag. Und sie bemerken es gar nicht, sie sind sich dessen nicht gewahr, sie haben keine Bewusstheit darüber. Es ist einfach die ganz normale schlechte Angewohnheit der gesamten Gesellschaft. Dabei hat das bei den Betroffenen eine riesige Auswirkung. Das Runtermachen sorgt dafür, dass bloß niemand zu groß wird, dass jeder schön brav klein bleibt und nicht aus der Reihe tanzt, dass alle spuren.
Was dahinter steht ist sehr einfach. Jeder wäre in seinem tiefsten Inneren gern groß, fühlt aber, dass er es nicht kann. Wegen der Grenzen, die er selbst für sich akzeptiert hat. Also muss der Mensch ständig darauf achten, so viele andere wie möglich in sein eigenes, kleines Leben hinein zu ziehen. Mit anderen Worten, runtermachen. Wenn jemand wirklich groß ist und seine Größe auch lebt, wird er von den anderen abgelehnt und bewundert gleichzeitig.
Vor etlichen Jahren hatte ich auf Skype ein Gespräch mit einer Frau, die ich nur von Mails und Skype kannte. Sie sagte zu mir, „Weißt du, ich bin richtig gut“ und bezog sich dabei auf ihre aktuelle Schöpfung, von der ich noch nichts wusste. Trotzdem antwortete ich: „Ja, ich weiß.“ Meine Antwort war nicht als Motivation oder Schmeichelei gedacht, sie war authentisch. Darauf die Frau: „Ja du weißt das, aber die anderen nicht.“ Und erzählte mir dann von den ganzen kritischen Stimmen bezüglich ihrer Schöpfung.
Mir liegt es schon lange fern, andere Menschen runterzumachen, ich sehe ja ihre wahre Größe, auch wenn sie sie selbst nicht sehen. Wenn andere mich runtermachen wollen, antworte ich unterschiedlich. Meistens sage ich gar nichts dazu, denn dann müsste ich den ganzen Tag sehr viel sagen. Das ist alte Energie und sehr anstrengend. Manchmal sage oder schreibe ich etwas, das dazu gedacht ist, andere wachzurütteln. Was, wie ich immer wieder merke, oft nicht verstanden wird. Aber das macht auch nichts.
Ja, und wenn es ums Erwachen geht, wird dasselbe Spiel gespielt. Oft sogar noch noch schlimmer. Solange sich alle auf demselben Niveau befinden, ist alles gut. Wenn sich jemand schneller entwickelt, wird er sofort zurück gepfiffen. Wenn Einer deutlich mehr Kurse absolviert hat als der Durchschnitt, benimmt er sich in der Regel sehr von oben herab. Selbstverständlich trifft das nicht auf alle erwachenden Menschen zu, aber auf die Mehrheit.
Richtig schlimm wird es allerdings, wenn jemand bereits erwacht ist und das auch sagt, wie ich zum Beispiel. Die Erwachenden wissen zwar meistens nicht, wovon ich spreche, weil sie nicht sehen, was ich sehe, aber sie sprechen mir natürlich im Handumdrehen mein Erwachtsein ab. Sie wollen mich in ihre begrenzte Welt zurück ziehen. Es sei denn, die Erwachenden kennen mich nicht persönlich und wohnen weit von mir entfernt. Dann bin ich ungefähr so weit weg wie ein Meister, der nicht mehr auf der Erde lebt. Diese Menschen bewundern mich dann, so wie sie die Meister auf der anderen Seite bewundern.
Kuthumi hat vor nicht allzu lang Zeit darüber gesprochen, wie es ihm damit erging. Als er als erleuchteter Mensch durch Indien reiste, erzählte er jedem, dem er begegnet war, dass er erleuchtet wäre. Zum größten Teil erlebte er heftige Ablehnung. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das bis zu Aggression und versuchten Attacken gehen kann. Letztlich traut sich zwar niemand, mir tatsächlich etwas anzutun, weil diese Menschen meine Souveränität spüren, aber es sind zum Teil schon heftige Erfahrungen, die ich da mache. Andere Erleuchtete ziehen sich in die Einsamkeit zurück, um so etwas nicht erleben zu müssen.
Wie auch immer. Was mich betrifft, so habe ich mich an die Ablehnung und das versuchte Runtermachen der Mehrheit der Menschen gewöhnt und kann ganz gut damit leben. Für alle anderen tut es mir sehr leid, dass sie unter diesem Druck stehen. Ich weiß, wie unangenehm das, vor allem dann, wenn man zunehmend bewusst wird.