Manchmal sagen oder schreiben mir Menschen etwas, und ich antworte nicht. Manchmal passiert das öfter hintereinander. Ich bekomme vielleicht zwei, drei Mails oder Chat-Nachrichten, und ich antworte zwei, drei Mal hintereinander nicht. Manchmal bekomme ich sehr, sehr lange E-Mails, die unbeantwortet bleiben. Ich habe gehört, dass das auf manche Menschen überheblich oder so ähnlich wirkt. Irgendwie unnahbar, als ob ich mich selbst auf ein Podest stellen würde. Zumindest wirkt es herzlos. Und es ist mir egal, wie es wirkt, auch wenn das jetzt wieder überheblich oder herzlos klingt. Die Wahrheit ist nämlich eine ganz andere.
Warum tue ich das? Ich bekomme zB auf fast jeden meiner Blogs und Artikel ein paar E-Mails. In der Regel sind es Mails von Leuten, die zu diesem Beitrag oder einzelner Aussagen darin in Resonanz gehen, die im Inneren berührt wurden. Auf solche Zuschriften antworte ich immer, selbst dann, wenn es eigentlich nichts dazu zu sagen gibt. Aber ich freue mich über die Kontaktaufnahme, und diese Freude möchte ich ausdrücken. Also schreibe ich zumindest: „Danke für dein Mail! Ich habe mich sehr über deine Nachricht gefreut …“ Und genauso meine ich das.
Ab und zu steht in einem Mail „In diesem Punkt hast du nicht recht“, oder schöner formuliert: „In diesem Punkt stimme ich dir nicht zu. Ich sehe das so und so …“ Das sind die Nachrichten, auf die ich nicht antworte. Was sollte ich schreiben? Meinen Standpunkt noch einmal erläutern? Oder mich einsichtig zeigen und zugeben, dass der andere recht hat? Vielleicht lesen das jetzt manche Menschen, besonders spirituelle, ganz besonders erleuchtete nicht gerne, aber solche Verhaltensweisen sind Spiele des Egos. Das Ego will seine Identität verteidigen und nähren, es will sich größer machen. Daher will es recht haben und muss es anderen sagen, wenn sie nicht recht haben. Gehe ich darauf ein, mündet die Sache in eine Diskussion. In einer Diskussion geht es nur ums Rechthaben. Die Formulierungen „ich stimme nicht zu“ und „das sehe ich anders“ sind nur politisch korrektere Ausdrucksformen für „du hast nicht recht“.
Diskussionen sind Spiele des Egos, Spiele des sexuellen Virus’. Darauf habe ich schon sehr lange keine Lust mehr. Ich fühle, wie anstrengend es wäre, auf so eine Nachricht zu antworten, und deshalb tu ich es nicht. Weder erkläre ich, warum ich etwas wie empfinde, um es dem anderen verständlicher zu machen, noch sage ich, dass ich seinen Standpunkt nicht teile. Ersteres wäre müßig, denn ich empfinde, wie ich empfinde. Warum erklären? Was erklären? Zweiteres wäre die Diskussion. Nur anstrengend! Es ist doch so einfach, jeder hat immer recht. Also kann es auch keine Einsichtigkeit geben, dass der andere recht hat. So etwas kann nur das Ego. Ich drücke aus, was in mir ist und in mir vorgeht. Und die meisten Menschen, die mir schreiben, tun das auch. Meistens. Was kann daran falsch sein? Will mir etwa jemand sagen, dass in mir etwas Falsches vorgeht?
Diskussion ist auch Drama. Schon wieder eine schöne, duale Auseinandersetzung mit einem Gegenüber. Da fühlt man sich doch gleich lebendiger. Ich weiß sehr genau, wovon ich spreche, ich wollte früher sehr oft recht haben. Und da ist mir auch nicht aufgefallen, wie anstrengend das war. Das habe ich erst ab einem bestimmten Grad an Bewusstheit bemerkt. Und jetzt tue ich es nicht mehr. Ich spiele Spiele des Rechthabens nicht mit, ich nähre kein Drama. Ich meine, das passiert mittlerweile automatisch, ich muss mich nicht dazu anhalten. Wo ich den Ansatz eines Dramas spüre, bin ich weg. Das ist Neues Bewusstsein, aus dualen Spielen auszusteigen, nicht die alten Spiele mit Blümchen verzieren und „sanft“ diskutieren.
Nun ja, zu schweigen ist meine Antwort. Die Einladung zur Diskussion anzunehmen wäre eine Reaktion. Eine konditionierte Verhaltensweise, die einfach so nach dem üblichen Muster abläuft. Zu antworten bedeutet jedoch, ein paar Atemzüge zu nehmen und die Antwort aus dem Inneren entstehen zu lassen, jedes Mal aufs Neue.
Eine andere Art von Aussagen, die ich nicht „beantworte“, sind solche, die in verschiedensten Formulierungen davon handeln, dass ich die Gefühle eines anderen Menschen verletzt hätte. Puh! „Wo sind wir denn nun angelangt?“, frage ich mich da. Wie war das in der ersten Klasse Grundschule des Neuen Bewusstseins? „Ich bin für mein Leben verantwortlich. Ich bin für meine Gefühle verantwortlich. Ich bin für meine Gedanken verantwortlich. …“ Ich produziere die Gefühle der anderen Menschen nicht, das tun sie selbst. Ich äußere etwas. A fühlt sich dabei verletzt, B erfreut. Hm … Ist die Spinne daran Schuld, dass manche Menschen bei ihrem Anblick Angstgefühle entwickeln? Ich glaube nicht.
In den verletzten Gefühlen steckt viel Drama, auch wenn sie noch so vorsichtig und gütig ausgedrückt werden. Meine Antwort auf Drama siehe oben.
Vielleicht klingt das alles herz- und lieblos. Doch das ist es absolut nicht! Es wirkt herzlos und ignorant auf andere Menschen, wenn man aus ihren Spielen aussteigt oder von vornherein nicht mitspielt. Sie wollen Drama machen, und ich spiele nicht mit. Wie kann ich nur?! Aber es wäre niemandem damit gedient. Mir am aller wenigsten, denn für mich wäre es nur anstrengend und mühsam. Warum sollte ich mir mein Leben unnötig schwer machen und mir den Tag oder zumindest ein paar Stunden vermiesen? Mein Nicht-Mitspielen ist liebevoll mir gegenüber. Und ich bin auch mit dem anderen nicht lieblos, denn er würde ebenfalls nichts gewinnen. Er würde ja genauso Energie verschwenden. Ich nehme seinen Ausdruck voll und ganz wahr, ich fühle mit, und entschließe mich zu schweigen. Nur sein Ego könnte bei dem Spiel gewinnen, kurz, es würde sich von mir und von ihm selbst nähren. Kein schönes Spiel.
Neues Bewusstsein wirkt oft lieblos auf Menschen, die sich noch stark mit ihrem Ego identifizieren und duale Spiele spielen. Ebenso wie bedingungslose Liebe auf diese Menschen kühl wirkt. Es fehle die Leidenschaft, meinen sie. Stimmt nicht, es liegt viel wahre Leidenschaft drin. Was fehlt, ist das Drama. Und das Abhängigmachen des eigenen Glücks vom Verhalten des anderen.
Ich schweige auch oft in Gesprächen, wenn sie in die beschriebene Richtung gehen oder sich um völlig belanglose Dinge drehen. Da steckt immer dieses Anhaften drin, Anhaften an anderen, in irgendeiner Form. Wenn solche Gespräche zu lange dauern, drehe ich mich um und rede mit wem anderen oder gehe weg. Jedenfalls belehre ich diese Menschen nicht darüber, was sie da eigentlich tun, denn dann würde ich Drama machen, was ich nun wirklich nicht will. Wenn mir jemand mit allem Enthusiasmus seines Egos lang und breit erklärt, wie recht er mit seinen Einstellungen hat, höre ich ihm schweigend zu. Wenn es nicht zu lange dauert, wie gesagt.
Manchmal werde ich auch beschimpft. Auch dazu schweige ich. Schimpfen ist nur eine noch stärkere Form der dualen Auseinandersetzung. Ich fühle mich durch eine Beschimpfung nie beleidigt oder herabgesetzt. Sie ist einfach nur der Ausdruck des Schimpfenden.
Nun, wenn du mir einmal schreiben möchtest und nun zögerst, schreib mir trotzdem. Ich beantworte mindestens 99% aller E-Mails. Und wenn ich nicht antworte, bedeutet das auch nicht immer, dass ich Drama rieche. Manchmal ist ein Gespräch einfach zu Ende, und ab und zu vergesse ich schlicht und einfach. Ich habe bloß über dieses Thema geschrieben, weil mich heute ein Gespräch mit einer lieben Freundin dazu inspiriert hat. Die übrigens diese Dinge genauso handhabt wie ich.
Ach ja, noch etwas. Auch wenn ich mehrmals nicht antworte, heißt das nicht, dass ich diesem Menschen irgendwie böse wäre oder ihn gering schätzen würde. Bei der nächsten ego- oder dramafreien Aussage oder Zuschrift antworte ich wieder mit Worten.