Viele erleuchtete Menschen kennen das: Sie werden von niemand mehr verstanden (wobei sie umgekehrt alle anderen verstehen), sie müssen sich in der Kommunikation mit anderen Menschen extrem reduzieren, also stark zurücknehmen, also sich selbst unterdrücken. (Autsch!!!). Sie können sich mit kaum jemandem richtig austauschen, sie sind ziemlich isoliert. Dabei ist das Sich-mitteilen ein göttliches Grundbedürfnis. Und so leben viele Erleuchtete in einem echten Dilemma.
Ich weise an dieser Stelle wieder einmal auf den Unterschied zu den aufgestiegenen Meistern hin, wie es sie bis ins 19. (und zum Teil bis ins 20.) Jahrhundert gegeben hat. Sie haben die Unmöglichkeit des Lebens unter Schlafenden gesehen und vor allem gespürt. Sie haben sich also in Berge und Wälder zurückgezogen, eine Zeit lang als Einsiedler gelebt und sich relativ kurze Zeit nach ihrer Erleuchtung (Wochen, Monate) auf die andere Seite verabschiedet. Heute ist die Lage ganz anders. Wir bleiben hier! Wir bleiben hier und leben mitten unter anderen Menschen in verkörperter Erleuchtung. Das ist neu, und das ist eine neue Herausforderung.
Erleuchtete sind für alle anderen Menschen Aliens. Die anderen haben nicht die geringste Chance, sie zu verstehen. Sie leben in einem menschlichen Körper und werden daher von anderen als Menschen wahrgenommen – und eingestuft. Sie leben sogar im selben Körper wie zuvor, aber sie sind andere Wesen geworden. Tatsächlich haben sie nur noch oberflächliche Gemeinsamkeiten mit den Menschen, sie sie einmal waren.
Die Zahl der Erleuchteten wächst ständig. Zum Glück! Sie ist aber noch nicht so groß, dass sie an ihrem Wohnort um die Ecke gleich zwei, drei andere Erleuchtete treffen würden. Also wächst bei vielen Erleuchteten die Frage: Wie kann für uns eine Gesellschaft aussehen? Können wir in Gemeinschaft mit anderen Erleuchteten leben? Wenn ja, wie? Denn, wie gesagt, sie wollen sich endlich nicht mehr reduzieren. Sie wollen ungehindert kommunizieren und dabei verstanden werden. Nachdem ihre Zahl wächst, wächst auch die Dringlichkeit der Frage.
Es gibt eine Unzahl von Projekten alternativen Zusammenlebens. Viele davon findet man im Internet. Ich habe mir dann und wann ein paar näher angeschaut. Also ich habe entweder die jeweiligen Beschreibungen im Internet gelesen, oder jemand hat mir über ein bestimmtes Projekt erzählt. Mir ging es dabei immer so, dass nur die ersten paar Sätze spannend und anziehend klangen, und etwas später spürte ich schon den Zwang und wollte nur noch davonlaufen. Denn alle diese Projekte haben etwas gemeinsam. Jemand hatte eine Idee und initiierte etwas für Menschen, die bereit sind, dieser Idee zu folgen bzw. sich ihr unterzuordnen. Und so sieht das Leben dort aus. Es herrscht ein begrenztes Bewusstsein, aus dem es kein Heraus gibt. Also man darf zB nur biologisch anbauen, man muss es sogar, man muss sich selbst versorgen. Man darf nur elektrisch betriebene Fahrzeuge besitzen und benutzen. Man muss Nichtraucher sein. Man muss anderen helfen und mit anderen teilen … Das sind jetzt nur aus der Luft gegriffene Beispiele.
Aber für Erleuchtete ist das nix! Grenzen, Restriktionen, Regeln, das ist das genaue Gegenteil von dem, was ein Erleuchteter in sich über sich erfahren hat. Also sind sämtliche alternative Gemeinschaftsprojekte für Erleuchtete zum Vergessen. Natürlich, diese Projekte sind von Schlafenden ersonnen und für Schlafende gedacht.
Ich gehöre zu einer ganz, ganz winzigen Minderheit, die eine Gemeinschaft von Erwachten schon er- und gelebt hat. Vor zwölf Jahren im Grünhexenland. Ich weiß schon, wie wunderbar das ist, unbeschreiblich eigentlich. Ich weiß, worauf es bei so einer Gemeinschaft ankommt. Vor ein paar Tagen ist diese Frage nach einer Gemeinschaft von Erleuchteten im Austausch aufgetaucht. Also teile ich jetzt meine Erfahrungen und Erkenntnisse.
Ich beginne mit ein paar Beispielen, wie das Leben dort ausgesehen hat. Dass es keinerlei Zwang, keinerlei Druck und keinerlei Erwartung gegeben hat, ist nicht einmal ein Beispiel, es war quasi eine Grundvoraussetzung und eine täglich gelebte Selbstverständlichkeit. Aber fühle einmal nur in das hinein. Du lebst mit anderen Menschen zusammen, wo keiner auf den anderen Druck durch Erwartungen ausübt, wo keiner auch nur ansatzweise versucht, wem anderen etwas vorzuschreiben. In jeder Gemeinschaft Schlafender passiert das ständig.
Eine Arbeitsaufteilung gibt es nicht, die passiert von selbst. Ein Beispiel. Alle Häuser auf diesem Grundstück wurden mit Holz beheizt. Als ich dorthin gekommen bin, habe den Holzstapel an der Mauer des Haupthauses gesehen. Wenige Tage später habe ich begonnen, Holz zu hacken. Es hat mich förmlich dort hingezogen, ich war ganz begierig aufs Holzhacken. Körperliche Betätigung an der frischen Luft, das war damals unwiderstehlich für mich. Niemand hatte mich darum gebeten, ich habe es gemacht, weil es mir ein Bedürfnis und eine Freude war. Also wurde in den folgenden Monaten gut 80% des Holzes von mir gehackt. Für die anderen war das nicht mehr so verlockend wie für mich, sie hatten das eh jedes Jahr. Also haben sie freudig zur Kenntnis genommen, dass da schon gehacktes Holz gelegen ist. Und wenn dem nicht so war, dann hat niemand zu mir gesagt, dass ich doch bitte Holz hacken möge.
Ein Lieblingsbeispiel von mir ist der Bau eines Vordaches für das Häuschen, in dem ich gewohnt habe. Joyas Lebensgefährte wollte das schon eine geraume Zeit lang machen und hatte über die Zeit schon alles Nötige dafür besorgt. Es war so gedacht, dass er, ein Freund von ihm und ich das gemeinsam machen würden. Das war keine Einteilung, wir waren alle drei bereit und willens, das zu tun. Wir haben nie gesagt, wann wir das tun wollten und wie lange das dauern würde. Wir haben überhaupt nichts Konkretes ausgemacht oder uns vorgenommen. Denn wir wussten alle, dass die richtige Zeit kommen würde.
Eines Tages hatten wir dann alle drei Lust, das Vordach jetzt zu bauen. Also haben wir uns ans Werk gemacht. Nachdem wir – wie immer – keinen Druck hatten, haben wir Spaß gehabt wie nur was. Was wir gelacht haben! Da hatte einer die Idee, den nächsten Schritt so und so zu machen. Das ging in die Hose. Und wir haben nichts als gelacht darüber. Und so hatten wir zwei oder drei Tage, an denen wir nur wahnsinnigen Spaß hatten. Und am Ende war das Vordach fertig und hat genauso ausgesehen, wie wir das gewollt hatten. Es war nicht wichtig, wann wir fertig sein würden. Denn es ist sowieso klar, dass es fertig wird. Wichtig war alleine das Tun. Der Weg war wichtig, nicht das Ziel.
Ein anderes Beispiel. Joya hat mich ab und zu gefragt, ob ich etwas tun würde. Das waren meist handwerkliche Sachen, wie zB in der Küche die beiden Holztische abschleifen und neu lackieren. Wenn ich zugesagt habe, war damit für uns beide die Sache erledigt, wir haben nie wieder darüber gesprochen. Sie wusste, dass irgendwann in absehbarer Zeit die Sache erledigt werden würde. Ich wusste, dass ich keinen Erwartungsdruck hatte und konnte weiter nach meiner Lust leben. Ich wusste ja, dass ich demnächst einmal Lust haben würde. Als es soweit war, bin ich hinüber gegangen, habe gefragt, „Passt es dir jetzt?“, und habe die Arbeit gemacht.
Auf diese Weise fließt alles ganz leicht und ganz natürlich. Es gibt nie Druck und nie Anstrengung. Jeder von uns hat sein eigenes Leben gelebt, das von seiner Lust gesteuert war. Das heißt, jeder hat jeden Tag das gemacht, worauf er gerade Lust hatte. Und nicht das, was nach Meinung von irgendwem jetzt getan werden sollte. Und auf genau diese Art blieb nie etwas unerledigt. Das kommt alles von selbst, es fließt alles ganz leicht. Ich lebe für mich alleine auch so, aber in einer Gemeinschaft potenzieren sich die Möglichkeiten und das Wohlgefühl dabei.
In so einer Gemeinschaft entsteht ein Lebensgefühl, von dem du nicht einmal erahnen kannst, wie gut, wie leicht und wie anders es ist. Das ist echtes Leben! Das Grünhexenland entwickelte in jener Zeit eine starke Anziehungskraft. Immer mehr Menschen kamen, um uns zu besuchen und zu erleben. Von Österreich bis in den Norden Deutschlands sind Menschen zu uns in die Südsteiermark gekommen. Das ist da, wo es den exzellenten Wein gibt.
Natürlich blieben alle ein paar Tage oder eine Woche. Das will ja erfahren und erfasst werden. Ich erinnere mich gut, dass es viele kaum glauben konnten. Sie erlebten die unglaubliche Leichtigkeit, mit der sich das Leben dort vollzog. Kein Druck, kein Zwang, keine Erwartungen, nichts musste irgendwie sein, Leben nach Lust und Freude. Und in dieser Leichtigkeit eine Endloskette von Synchronizität. Ja, so kann Leben sein.
Wie kann so etwas entstehen? Was sind die Voraussetzungen? Also erstens spreche ich von einer Gemeinschaft Erleuchteter. Darum geht es ja, wir wollen da das Verständnis. Und dann gibt es zwei Voraussetzungen. Nicht mehr als zwei.
Erste Voraussetzung: bedingungsloses Akzeptieren des anderen. Das ist die conditio sine qua non, ohne das geht gar nichts. Aber eigentlich ist es überflüssig, das zu erwähnen, denn ein erleuchteter Mensch hat gelernt, sich selbst bedingungslos zu akzeptieren. Damit ist diese Akzeptanz des anderen eine Folgeerscheinung. Die muss nicht extra geübt werden.
Ganz selten kommt es vor, dass auch schlafende Menschen diese bedingungslose Akzeptanz leben. Das habe ich auch schon erlebt, bei solchen Menschen fühle ich mich auch auf Anhieb wohl. Aber das Verständnis finde ich dort nicht. Ebenso haben diese Menschen ihre Agenda, wie das bei Schlafenden halt so ist. Und es gibt nicht annähernd so viel Synchronizität.
Zweite Voraussetzung: keine Regeln. Jeder lebt nach seiner Facon, es gibt für niemanden Regeln. Auch das sollte überflüssig zu erwähnen sein, weil Erleuchtete gelernt haben sollten, für sich selbst keine Regeln mehr zu haben, und damit automatisch auch für andere nicht. Nun, das ist noch nicht bei allen Erleuchteten ganz so, also erwähne ich es.
Das mit den Regeln ist interessant. Unerwachte Menschen würden zB sagen: „Wir müssen doch Rücksicht nehmen. Da kann ja nicht einer um 2h nachts Lärm machen, wie er will, wenn die anderen schlafen wollen.“ Nun, in meiner Zeit im Grünhexenland ist mir die Idee von Rücksicht immer absurder vorgekommen. Solche Dinge kommen in einer Gemeinschaft Erleuchteter einfach nicht vor. Da entwickelt keiner irgendeinen Wunsch, etwas zu tun, was jemand anderem schaden könnte. Er denkt so etwas gar nicht. Es hat ja auch kein Erleuchteter den Wunsch, einen anderen zu töten oder zu verletzen. Das ist eine andere Welt, eine andere Dimension. In dieser Welt braucht es keine Regeln, sie würden nur einschränken, begrenzen und unterdrücken.
Eine Bemerkung ist wesentlich. Eine Gemeinschaft Erleuchteter ist keine Gemeinschaft Gleichgesinnter, wie es die diversen alternativen Projekte alle sind. Deshalb gibt es da keine gemeinsame Richtung, in die alle gehen müssen. Sie ist eine Gemeinschaft Gleichgearteter. Das ist etwas ganz anderes. Eine Gemeinschaft von souveränen Wesen.
Wie und wo kannst du nun beginnen, wenn du so eine Gemeinschaft ins Leben rufen willst?
Erster und wichtigster Punkt: wähle es! Ganz bewusst und aus ganzem Herzen. Dann erledigen sich die meisten der folgenden Punkte von selbst.
Halte Ausschau nach gleichgearteten Menschen. Unser Austausch hier ist schon ein Anfang. Ich würde mit einer kleinen Gemeinschaft beginnen, nicht mehr als vier oder fünf Menschen, Kinder nicht mitgerechnet. Das ist besser, um erste Erfahrungen zu sammeln und sich an die neue Art des Lebens zu gewöhnen.
Dann halte Ausschau nach einem geeigneten Grundstück. Es sollte nicht zu klein sein, und nach Möglichkeit sollten schon ein paar Häuser drauf stehen, auch wenn sie noch nicht in einem sehr tollen Zustand sind. Solche Grundstücke gibt es. In abgelegenen Gegenden auch zu vernünftigen Preisen.
Die Menschen sollten keinesfalls unter einem Dach leben. Jeder sollte sein eigenes Haus haben. Es funktioniert nicht, wenn souveräne Wesen vom Aufstehen bis zum Schlafengehen unter demselben Dach leben. Partner und Familien wollen vielleicht in einem Haus leben. Aber auch das stelle ich infrage. Partnerschaften funktionieren langfristig besser, wenn jeder sein eigenes Haus hat.
Die Häuser sollten einen gewissen Mindestabstand zueinander haben und nicht aneinander kleben. Nur so kann jeder ungehindert sein eigenes Leben entfalten.
Ja, und dann lass dich von den täglichen Wundern überraschen, die in so einer Gemeinschaft Erleuchteter passieren.
Ich möchte jetzt noch ein paar Sätze über mich selbst sagen. Seit ich das Leben im Grünhexenland erfahren habe, war ich beseelt von dem Gedanken, solch eine Gemeinschaft zu haben. Bloß gab es damals so gut wie keine erleuchteten Menschen, und alle anderen, die Erwachenden, haben nicht gewusst, wovon ich eigentlich sprach. Jahre später habe ich so ganz ab und zu versucht, andere darauf anzusprechen. Leute, die ich von Facebook kannte, zB. Letztlich waren das aber alles Schüsse in den Ofen.
Vor ca. einem Jahr hat Verena von sich aus begonnen, über so etwas zu sprechen. Ich war sofort Feuer und Flamme. Aber irgendwie ist auch das versandet. Soweit ich informiert bin, hat sie vor einigen Wochen etwas Geeignetes gefunden. Und vor ein paar Tagen hat Alex dieses Thema im Austausch gebracht. Und ich war wieder sofort Feuer und Flamme.
Doch schon wenige Stunden später habe ich mich gefragt: „Warum bin ich so Feuer und Flamme? Ich will das doch gar nicht mehr. Ich will ja etwas anderes.“ Was ich momentan will und noch nicht habe, ist mein eigenes Haus nur für mich. In einem kleineren Ort, etwas abseits gelegen. Und so war dann meine Leidenschaft für so ein Projekt schnell wieder weg.
Der Punkt ist, dass ich das Problem schon seit längerer Zeit nicht mehr habe, das viele andere Erleuchtete haben. Ich habe meinen Weg gefunden, mit der schlafenden Welt umzugehen und zu kommunizieren. Es ist nicht mehr problematisch für mich. Es stört mich nicht mehr, nicht verstanden zu werden. Und ich habe in einem gewissen Ausmaß Austausch mit erleuchteten Klienten. Das ist immer wieder schön und freudvoll.
Ich spüre deutlich, dass mein Herz mich woanders hinzieht. Aber natürlich, wenn ich auf so eine Gemeinschaft Erleuchteter treffen würde, könnte es leicht sein, dass ich es mir wieder anders überlege.
Kommentare
Lieber Reiner, gerade in…
Lieber Reiner,
gerade in letzter Zeit habe ich wieder öfter an unser gemeinsames Jahr zurück gedacht - und siehe da, ich schau auf deinen Blog und lese diesen Beitrag ;).
Das von dir damals bewohnte "Hexenhäuschen" hat mittlerweile sogar Wasseranschluss und Miniküche und ist grade wieder frei geworden, nachdem der letzte Mitbewohner weiter gezogen ist. Schau ma mal, wer als Nächstes zu Besuch kommt auf ein paar Tage oder Wochen oder Monate...
Alles Liebe, Joya
Joya! Wie schön, hier von…
Joya! Wie schön, hier von dir zu lesen!
Ja, dieses Jahr, es kommt immer wieder in meine Gedanken, es war etwas Besonderes. Sehr wertvolle Erfahrungen.
Wasser und Miniküche, das ist ja richtig luxuriös geworden. So können Nicht-Veganer nach ihrer Lust und Laune kochen.
Liebe Grüße
Reiner