Weihnachten bei mir

Heuer habe ich so viel zurückgeschaut wie viele Jahre nicht, vielleicht sogar so viel wie noch nie. Oh, ich lebe nicht in der Vergangenheit, ich verbringe auch nicht einen Großteil meiner Zeit mit Rückschauen. Es ist einfach so gekommen, und diese Rückschauen haben mir interessante Perspektiven eröffnet. Sie haben mir die Schönheit und die Perfektion meines Weges gezeigt. Und auch ein paar interessante Themen, die zum kleineren Teil noch aktiv und zum größeren Teil abgeschlossen waren. Und so schaue ich heute, zu Weihnachten, wieder zurück.

Als Kind war Weihnachten für mich wunderschön. heart Mein Vater war ein Künstler im Christbaum aufputzen und gestaltete die Bescherung immer spannend und geheimnisvoll. Meine Mutter und wir Kinder warteten aufgeregt vor der Wohnzimmertür, bis endlich das Glöckchen erklang. Dann traten wir ein, und es war wunderschön. Das Licht war aus, dafür brannten die Kerzen am Christbaum, und die Sternspritzer versprühten ihre Funken und machten dabei dieses sanfte Geräusch. Dann sangen wir „Stille Nacht". Wir waren eine musikalische Familie, wir konnten alle recht gut singen. Die Geschenke waren immer große Überraschungen für mich. Alles war voller Frieden und Freude. Als ich ein Kind war, gab es zu Weihnachten zuhause nie Streit. Weder zwischen den Eltern, noch zwischen Eltern und Kindern, noch unter uns Kindern. Wenn ich an den folgenden Tagen die Christbäume bei den Nachbarskindern sah, taten sie mir fast leid, weil sie nicht annähernd einen so schönen Christbaum hatten wie wir.

Als ich zwölf war, ging die Aufgabe des Christbaum aufputzens an mich über. Beim ersten Mal half mir mein Vater natürlich und zeigte mir seine Tricks. Ab dem nächsten Jahr habe ich schon alles alleine gemacht. Meine Christbäume waren dann genauso schön wie die meines Vaters. In jener Zeit als junger Teenager genoss ich den Nachmittag des 24. Dezembers sehr. Ich war den ganzen Nachmittag alleine im Wohnzimmer und beschäftigte mich mit dem Christbaum. Daneben lief der Fernseher, wo es zu Weihnachten immer ein passabel gutes Programm gab.

Doch in der Teenagerzeit ging der Frieden zuhause verloren, von Jahr zu Jahr konsequenter. Die Ehe meiner Eltern war zerrüttet, sie gaben sich keine Mühe mehr, irgendeinen Schein aufrecht zu erhalten. Es wurde heftigst gestritten. Meine älteren Schwestern waren praktisch erwachsen und hatten immer weniger Interesse an Weihnachten zuhause. Die Kindesidylle war eindeutig weg. Ich versuchte als einziger, ein schönes Weihnachtsfest zu gestalten, was mir von Jahr zu Jahr schwerer fiel.

Es gab eine schöne Weih-Nacht als ich schätzungsweise 18 war. Eine meiner älteren Schwestern war auch anwesend. Nach unserem Fest und dem Essen gingen wir, wie damals gewohnt, in die Mette, die nicht um Mitternacht, sondern um 22h begann. Dort trafen wir all unsere Freunde. Nach der Mette standen wir vor der Kirche und unterhielten uns prächtig. Irgendwie sammelten sich rund um mich ca. 15 - 20 Leute. Meine Schwester hatte ich aus den Augen verloren und wähnte sie schon irgendwo anders. Nachdem in meinem alten Heimatort zu Weihnachten Ruhe und Stille herrschte, gab es natürlich keine geöffneten Lokale. Wir wollten aber alle etwas unternehmen, also gingen wir alle zu uns nachhause. Dort angekommen bemerkte ich, dass die ganze Clique meiner Schwester dieselbe Idee hatte. Also waren da plötzlich fast 40 Menschen in unserem Haus, die sich auf zwei Zimmer aufteilten. Das Haus war nicht groß, wohlgemerkt, aber wir arrangierten uns. Im Keller gab es zum Glück noch etliche Sessel und einiges zu trinken. Wir waren also versorgt. smiley Ich weiß nicht, wann die Freunde meiner Schwester das Haus verlassen haben, aber unsere Fete ging bis ca. 4h Früh. Meine Eltern haben ihr Schlafzimmer nicht verlassen und akzeptierten unser Treiben.

Das war ein Highlight in der Zeit, als mir Weihnachten schon nicht mehr gefiel.

Nach der Matura zog ich nach Wien. Endlich weg von zuhause! Allerdings fuhr ich in der Anfangszeit an den meisten Wochenenden nach Hause. Und Weihnachten verbrachte ich auch zu Hause, ich musste ja den Christbaum aufputzen. Später hatte ich wieder eine feste Freundin, und die wollte Weihnachten auch zuhause verbringen. Dieses Muster zeigte sich auch viele Jahre später bei allen meinen Freundinnen. Sie wollten immer an Weihnachten zuhause sein.

Als ich 22 oder 23 war, beschloss ich erstmals, zu Weihnachten nicht nachhause zu fahren. Ich hatte es schon mehr als satt. Mein größtes Problem dabei war: Wie sage ich's meiner Mutter? Meine Mutter war ein richtiges Opfer, ihr Glück hing zu 100% von anderen ab. Bei jedem kleinen Schritt, den ich in Richtung eigenes Leben ging, machte sie ein großes Drama. Ich glaubte wirklich, sie müsste streben, wenn ich zu Weihnachten nicht nachhause kam. Je näher der Tag rückte, desto mehr Mut machte ich mir. Als ich sie anrief, um es ihr zu sagen, hatte sie glücklicher Weise schon eine Vorahnung. Und so wurde die Sache weniger schwierig, als ich befürchtet hatte.

Solche Opfermenschen haben wirklich große Macht über andere, und so kommen sie zu ihrer Energie. Wer will schon seiner Mutter wissentlich und vorsätzlich weh tun? Aber ich spürte deutlich, dass ich mein eigenes, unabhängiges Leben haben wollte. Ich musste diesen Schritt gehen. Es war ein wesentlicher Schritt in meine Souveränität, heraus aus den klebrigen Beziehungsgeflechten.

Ich verbrachte jene Weihnachten alleine in meiner Wohnung, ich suchte keinen Kontakt zu anderen. Ich war so froh, endlich für mich alleine zu sein! Mir war keine Sekunde langweilig, ich genoss diesen Abend. Weihnachten nur mit mir! Nicht einmal meine Kindheitserlebnisse reichten an diese Freude heran.

Ab dem Jahr danach war es schon klar, dass ich Weihnachten mit mir verbringen würde. Eine Ausnahme bildeten nur die Jahre, wo ich zu dieser Zeit gerade eine Freundin hatte. Dann ging's wieder ab nachhause. Den Christbaum hatte meine kleine Schwester übernommen. Sie hatte es von mir gelernt, so wie ich es von meinem Vater gelernt hatte. Mit ihr kam die dritte Generation von Christbäumen, die auf dieselbe, prächtige Art geschmückt waren.

Es kam dann recht bald die Zeit, wo ich Weihnachten vornehmlich als Stress empfand. Hauptsächlich wegen dem Zwang, Geschenke kaufen zu müssen. Nicht wenige meiner Freunde empfanden das genauso, und so kam es dazu, dass wir Anti-Weihnachten feierten. Das war in den ersten ein, zwei Jahren recht lustig, befriedigte mich aber auf Dauer auch nicht. Ich mochte die Weihnachtsstimmung nämlich immer! Bloß wollte ich Weihnachten anders und mit anderen Menschen verbringen, als ich es bis dahin gekannt hatte. Weder Familie noch Anti-Weihnachten entsprachen meinen Vorstellungen. Am besten war es noch, für mich alleine zu sein.

Es kam dann die Zeit, in der ich mit meinen Freunden und mit meinen Schwestern übereinkam, uns nicht mehr zu beschenken. Das ging leicht, es hatten alle diesen Weihnachtsstress satt. Somit war ein weiterer Störfaktor beseitig. Ich hatte also nur mehr ein Geschenk zu besorgen, nämlich für meine Mutter. Das fiel aber nun wirklich nicht mehr unter Stress.

In den späten 90er Jahren gab es eine Zeit, die für mich auch zu Weihnachten schön war. Also wenn ich nicht alleine war, was immer schön war. Nachdem ich aufgehört hatte zu unterrichten, meldeten sich plötzlich ehemalige Schüler bei mir. Zunächst mit dem Wunsch, ich möge doch wieder an die Schule zurückkehren. Das war aber keine Option. Diese jungen Menschen wollten mich aber zumindest kennenlernen. Und sie wurden sehr schnell immer mehr. Es waren dann nicht nur Schüler, die ich unterrichtet hatte, sondern auch welche aus anderen Klassen. Dann kamen Freunde dieser Schüler dazu. Und so fand ich mich binnen kürzester Zeit in einem riesigen Kreis ehemaliger Schüler und ihrer Freunde wieder. Daraus entstanden einige wirkliche Freundschaften. Das heißt, das waren gar nicht so wenige.

Zeitgleich lernte ich meine Nachbarinnen, die über mir wohnten, kennen. Zwei Schwestern, ebenfalls sehr jung. Es waren Kurdinnen, die als Kinder auf eigene Faust nach Österreich kamen, um hier ein neues Leben aufzubauen. Ich hatte großen Respekt vor diesem mutigen und kühnen Unterfangen. Jedenfalls verstanden wir uns gut und hatten regen Kontakt. Und die hatten viele Freunde, die ich auch kennenlernte.

Jedenfalls brachte ich diese zwei Freundeskreise zusammen, und sie passten gut zusammen. Dazu kamen noch ein paar Freunde, die ich in meinem damaligen Stammlokal kennengelernt hatte. Und so hatte ich ein paarmal richtig nette Weihnachten mit Menschen, mit denen mir das gut gefiel. Das ging schon in die Richtung, wie ich mir Weihnachten vorstellte.

Die Jahre vergingen, und ich war zu Weihnachten mit mir zu Hause. Meine Wohnung wurde immer schöner, weil ich so lange daran gewerkt hatte, sie wirklich schön und gemütlich zu machen. Und so hatte ich auch von Weihnachten zu Weihnachten immer mehr Freude mit mir allein.

2006 begann mein Erwachen, ab da war dann sowieso alles anders. Die Freunde und Bekannten wurden immer weniger, und ich hatte überhaupt keine Lust mehr, Weihnachten mit irgendwem anders als mit mir zu verbringen. In der Zeit des Erwachens begann es auch, dass ich am 24. 12. automatisch und bewusst an Jeshua dachte. Immerhin ist es ja sein Geburtstag, der da gefeiert wird. Ich war nicht religiös, weder vor noch während meines Erwachens. Aber Jeshua stach natürlich schon hervor. Ich kann nicht sagen, woran ich dabei genau gedacht habe, aber ich habe mich dadurch irgendwie mit der Christus-Energie verbunden, und das war schön.

Nach meiner Erleuchtung war es dann fast ganz unmöglich, Weihnachten mit irgendwem anderen zu feiern. Es kam aber zweimal vor. Zum ersten Mal 2010 im Grünhexenland und zum zweiten Mal 2012 mit einer Shaumbra-Freundin, die mich eine Woche lang in Wien besuchte. Ich verbrachte also beide Male Weihnachten mit bewussten Menschen, und das war natürlich etwas ganz anderes. Und das zeigt auch die Richtung an, wie ich mir Weihnachten gut vorstellen kann.

Ich verbringe Weihnachten also schon seit vielen Jahren, eigentlich Jahrzehnten, vorwiegend mit mir, alleine zuhause. Das war schon schön für mich, als ich noch geschlafen habe, und danach war es noch schöner und wurde immer schöner. heart Seit etlichen Jahren teile ich mir das so ein, dass ich am 24. nichts mehr zu tun habe, auch nicht noch ein paar Sachen einkaufen, weil ja dann ein paar Feiertage kommen. Die Geschäfte haben zwar bis 14h, glaube ich, geöffnet, aber ich mag an diesem Tag nicht einkaufen. Das ist mein heiliger Tag. Ich bin da in einer ganz anderen Stimmung und habe dazu passend ein anderes Zeitgefühl. Es ist einfach wunderschön! Und still. Ich empfinde die Stille ein ganzes Jahr lang nicht so intensiv wie am 24. und 25. Dezember. Und das liebe ich am allermeisten an Weihnachten. Die Stille birgt so vieles und bringt so viel hervor! Eigentlich ist es nicht viel, sondern alles. Wenn ich dir zu Weihnachten etwas wünschen und schenken könnte, dann wäre es Stille. Ich hoffe, du findest zu diesem Fest zumindest einige Momente der Stille.

Ich weiß ja, dass es viele Menschen gibt, die zu Weihnachten das genaue Gegenteil davon erleben. Da kommt die Familie, da kommen noch andere Verwandte, und es herrscht Trubel. Oft auch Streit. Für mich ist das der absolute Alptraum! Sie kommen, weil sie glauben, dass sie kommen müssen, weil es sich so gehört, und/oder weil sie selbst nicht alleine sein wollen. Was Menschen für Angst vor dem Alleinsein haben! Deshalb schlafen sie ja auch tief. Sie kennen das Geschenk der Stille nicht, und sie wollen es auch nicht haben.

Heute denke ich wieder an Jeshua. Aber nicht viel, ich fühle deutlich etwas anderes. Ich genieße diesen Tag wie die Jahre zuvor, doch ich fühle auch eine Wende in mir. Ich fühle ein Weihnachtsfest zusammen mit ein paar erleuchteten Menschen. Ich fühle, dass es möglich ist, erstmals, und dass es geschehen wird. Das gehört zu den Dingen, die ich noch zu erwaten habe. smiley

Die Musik, die mir für heute eingefallen ist, ist aus Jesus Christ Superstar. Es ist das Lied von Maria Magdalena für Jeshua, in dem sie ihn beruhigen möchte, weil er gerade so viele Turbulenzen erlebt. „Close your eyes, close your eyes and relax."

Und weil ich gerade so gerne zurückschaue, habe ich die zwei Weihnachtsbeiträge der letzten beiden Jahre unten verlinkt.

Kommentare

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Lieber Reiner,

herzlichen Dank für deinen wunderbar beschriebenen "Weihnachtsrückblick" von der Kindheit bis zum heutigen Heiligen Abend. Bei einigen der Beschreibungen musste ich grinsen oder auch seufzen, da mir Szenen aus der Vergangenheit sehr bekannt vorkommen :-)
Für mich ist es der 3. Heilige Abend, den ich allein sein darf und ich empfinde es ebenfalls als eine besondere heilige Stille und Atmosphäre, die mich an diesen Abenden umgibt. Mit allem und jedem verbunden und trotz des Wahnsinns, der seit 2 Jahren auf unserem Planeten tobt, das Gefühl: Die Welt ist im Frieden - und ich bin es auch. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten.

Herzliche Grüße

Sabine

Liebe Sabine,

danke für diesen Kommentar! Er war gestern Nacht wie ein Weihnachtsgeschenk für mich. smiley Ich war gerade in super weihnachtlicher Stimmung und habe dann noch deinen Kommentar gesehen. Das hat perfekt gepasst. Ich bin ja überhaupt erfreut, dass Menschen am Heiligen Abend meinen Blog lesen. cheeky Für Menschen wie dich und mich ist das wohl das passendste Weihnachtslied: Have Yourself A Merry Little Christmas.

Hab noch einen schönen Tag!

Reiner