Beziehungen

Ich wollte schon oft über Beziehungen schreiben, weil ich immer wieder sehe, wie viel Drama, Komplikation und Leid in ihnen steckt, und wie sehr sie bewusste Menschen in ihrer Entfaltung hemmen und bremsen. Alle Arten von alten, menschlichen Beziehungen. Aber ich konnte mich nie dazu durchringen, weil das so ein dickes Thema ist und ich da eher ein Buch als einen Blogeintrag vor mir gesehen habe. Und ich hatte keine Lust, ein Buch über Beziehungen zu schreiben.

Doch nun begleite ich seit einiger Zeit eine Klientin. Und irgendwann wollte sie auch über Beziehungen sprechen, weil sie seit langem merkte, wie die traditionellen Beziehungen sie einschränkten. Eines nachts, als es wunderbar still war, fiel mir dann ein, wie ich das Thema kurz und knapp auf den Punkt bringen konnte. Ich schrieb ihr dann am nächsten Tag das folgende E-Mail, das ich wunderbar einfach und deutlich finde.


ich schreibe einmal über Beziehungen, wie ich sie seit vielen Jahren habe.

Wenn ich es auf den Punkt bringen wollte, dann würde ich sagen: es steht keine Agenda dahinter. Das unterscheidet erleuchtete Beziehungen so fundamental von menschlichen Beziehungen. Und das macht meine Beziehungen so einfach, so unkompliziert und frei.

Bei menschlichen Beziehungen steht immer eine Agenda dahinter. Ob unter Freunden, unter flüchtigen Bekannten, unter Lebenspartnern, in der Familie, am Arbeitsplatz, zwischen Kunden und Anbietern, bei Ämtern / Behörden, egal, überall. Es geht immer darum, dass der eine vom anderen etwas haben will und/oder dass der eine den anderen zu etwas bringen will.

Eine Agenda, das bedeutet, es gibt ein erwartetes Ergebnis. „Du gibst mir, was ich will,"  oder „Du machst, was ich will." Mit anderen Worten, es ist immer Zwang dahinter. Und dieser Zwang macht menschliche Beziehungen so kompliziert und ungemütlich.

„Ich liebe dich" heißt, „Ich will, dass du mich liebst".
„Ich will nur das Beste für dich" heißt, „Ich will dass du tust, was ich sage, weil es das Beste für mich ist".
„Füllen Sie dieses Formular aus" heißt, „Wenn Sie dieses Formular nicht ausfüllen, müssen Sie mit üblen Konsequenzen rechnen".
„Lass uns heute einen gemütlichen Abend verbringen" heißt, „Ich will, dass dieser Abend für mich gemütlich wird. Spiel gefälligst mit!".

Usw. usw. usw. Immer eine Agenda. Besonders gefällt mir der Satz (den man heute oft hört): „Wir müssen jetzt zusammenhalten." Das heißt im Klartext: „Es ist jetzt wichtig, dass alle das tun, was ich sage / was ich will."

Bei mir gibt es diese Agenda nicht. In keiner Beziehung. Ich akzeptiere jeden Menschen, wie er ist. Ich habe keine Wünsche und keine Erwartungen an ihn. Wenn ich diesen Menschen nicht mag, drehe ich mich um und gehe. Aber ich wünsche mir nicht, dass er anders ist. Wenn er irgendwie in meinen Raum eindringt, was selten, aber doch, vorkommt, schmeiße ich ihn hinaus.

Umgekehrt kann mich niemand zu etwas bringen. Besonders lustig ist das auf Ämtern und sonstigen öffentlichen Einrichtungen. Jemand will, dass ich etwas tue, und ich sage nein. Nicht aufgeregt oder rüpelhaft. Ich sage einfach nein. Und wenn dann der andere darauf besteht, stehe ich auf und gehe. Das kommt aber praktisch nie vor. Die Menschen dort sind so perplex, wenn sich jemand, ohne ungut zu sein, einfach ihrem Willen (ihrer Agenda) entzieht, dass sie gar nicht böse sein können.

Bei allen anderen Beziehungen mache ich sowieso nicht, was andere wollen. Der Punkt ist aber, dass sie es erst gar nicht versuchen. Sie spüren subtil, dass sie es mit einem souveränen Wesen zu tun haben, dem man weder etwas vorschreiben noch etwas von ihm wegnehmen kann.

Ich betrachte jeden anderen Menschen als genauso souverän wie mich. Er kann wollen, was er will. Ich nehme das einfach als seinen Ausdruck. Und genau das ist es auch, sein Ausdruck. Nicht mehr und auch nicht weniger. Und ich will, was ich will. Der Unterschied ist, ich will niemals den anderen zu etwas bringen, weil ich keine Agenda habe. Wenn ihm nicht gefällt, was ich will, dann ist das halt so. Es ist sooo einfach!

Ich verliebe mich fast täglich, und dann oft gleich mehrmals. Es braucht so wenig, dass ich mich verliebe. Natürlich verliebe ich mich oft in Frauen. Nachdem ich viel mehr schön finde, als früher einmal, finde ich auch viel mehr Frauen schön. Dann kommt noch ein Ausdruck in ihrem Gesicht oder eine Handbewegung, und schon bin ich verliebt. Sie weiß es natürlich nicht, und das macht auch nichts. Es ist ja immer meine Liebe, die ich spüre. Und es ist so schön für mich, das zu spüren und das Gefühl zu haben, dass ich nichts von ihr will. Außer vielleicht, sie ein paar Momente länger zu sehen. Das kommt aber nur selten vor. wink (Dass ich sie länger sehe.) Und einige Minuten, nachdem sie aus meinem Gesichtsfeld verschwunden ist, habe ich sie schon vergessen. Was aber bleibt, ist das schöne Gefühl, mich schon wieder verliebt zu haben.

Früher einmal, in meinem schlafenden Leben, war das natürlich ganz anders. Da hatte ich auch eine Agenda - und gleichzeitig Angst vor der Agenda der anderen. Aber das ist lange her, und ich erinnere mich nur mehr sehr vage daran.

Ich habe keine Angst vor Nähe und keine Angst, verlassen zu werden. Früher hatte ich vor beidem Angst, heute nicht. Nähe ist etwas so Schönes! Deshalb liebe ich auch Umarmungen so sehr. Und umgekehrt, wenn jemand geht, dann geht er. Wenn es davor intensive Nähe gab, dann trauere ich vielleicht ein paar Stunden - und genieße die Trauer.

Jetzt nehme ich uns beide als Beispiel. Ich mag dich sehr, und ich will nichts von dir. Meine Mails waren nie dazu gedacht, dass du tun sollst, was ich sage bzw. vorschlage. Alles, was ich schreibe, ist dazu gedacht, dass dir Dinge bewusst werden, die vorher im Dunkeln lagen. Und wenn sie dir nicht bewusst werden, ist mir das auch egal. Das ist heute bei mir ganz anders, als in der ersten Zeit nach meiner Erleuchtung. Da habe ich geglaubt, ich könnte die erwachenden Menschen aufklären und war fürchterlich frustriert, wenn das nicht ging. Aber das ist auch schon lange her. smiley

Du kannst mir schreiben, was du willst. Ich kann nicht enttäuscht sein, weil ich keine Erwartung habe. Ich kann nicht gekränkt sein, weil keine Emotionen im Spiel sind. Ich nehme einfach deinen Ausdruck. Ich biete dir meinen Dienst an, solange du ihn willst. Wenn du ihn nicht mehr willst, dann ist das für mich auch OK.

Deshalb habe ich gesagt, nimm mich als Übungsfeld. Denn auf meiner Seite gibt es kein Problem, für mich war unsere Beziehung sowieso immer so. Ich kann keine anderen Beziehungen mehr haben.

Und so, auf die neue, souveräne Art, wurden Beziehungen für mich wieder wunderschön und vor allem bereichernd. smiley


Das war das Mail an meine Klientin. Sehr einfach, nicht wahr? Ich möchte am Schluss natürlich nicht unerwähnt lassen, dass die wichtigste Beziehung die zu dir selbst ist. Dieselben Forderungen und Erwartungen, die du an dich selbst hast, hast du auch an andere Menschen. Wenn deine Beziehung mit dir schwer ist, sind alle deine Beziehungen schwer. Zumindest früher oder später.

Die zwei Beiträge, die du unten unter Siehe auch siehst, passen sehr gut zu diesem Blogeintrag. Sie zeigen noch mehr, wie ich Beziehungen sehe, und wie ich mit ihnen umgehe,

Glossar