Im Februar 2017, vor über viereinhalb Jahren, habe ich geschrieben Ich erinnere mich nicht mehr. Ich habe diesen Blogeintrag erst kürzlich wieder gelesen, er gefällt mir nach wie vor sehr gut und drückt wirklich aus, was ich damals erlebt und empfunden habe Es war nicht so, dass ich erst 2017 vergessen hatte, welches Leben ich vor meiner Erleuchtung gehabt hatte, es ist mir damals bloß aufgefallen. In den Jahren davor war mir mein Vergessen des alten Lebens nicht wirklich bewusst.
Verena hat mich letzte Woche gefragt: „Gibt es so etwas wie Erleuchtungsdemenz?“ Ich fand diesen Ausdruck lustig – und gleichermaßen treffend. Ja, das gibt es. Wenn du deine Erleuchtung erfahren hast und am Ende der Phase der Realisierung nun wirklich um deinen Zustand weißt, bist du in einer neuen Welt angekommen, die ganz anders und viel leichter und freier ist als die alte. Vor allem bist du jemand anderes als vorher. Und da ist es völlig unbedeutend, wer oder was du einmal warst und was du gemacht hast. Und deshalb verschwindet die Erinnerung daran, früher oder später. Es ist dann, wie Verena (sinngemäß) geschrieben hat: „Als ob ich von einer anderen Person sprechen würde, die nicht ich ist.“
Und dann geht das Leben weiter. Und irgendwann kommt die Erinnerung wieder. Aber sie kommt anders.
Es hat bei mir vor gut zwei Jahren begonnen, wenn nicht schon etwas früher. Immer wieder tauchten Erinnerungen aus meinem alten Leben auf. Ich gebe zu, das hat mich etwas erstaunt und verwirrt, weil ich ja um die Bedeutungslosigkeit dieses alten Lebens wusste und meine Zeit des Vergessens eigentlich genossen hatte. In letzter Zeit hat sich das verstärkt. Praktisch täglich kommen Erinnerungen aus meinem alten Leben daher. Deshalb schreibe ich jetzt darüber, denn es war auch eine Erkenntnis mit dabei, die ich in den letzten Tagen hatte.
Gerade seit den letzten Tagen genieße ich diese Erinnerungen, während ich sie davor eher als störend empfunden habe. Und sie sind anders als die Erinnerungen an mein Leben, die ich vor meinem Erwachen hatte.
Ein wesentlicher Punkt ist, dass Erinnerungen an unangenehme Zeiten und Ereignisse nicht mehr mit unangenehmen Gefühlen verbunden sind. Da gab es zB 1992 eine Zeit, die eher unangenehm war. Das war unmittelbar mit einem Arbeitsplatz verbunden, den ich in diesem Jahr für kurze Zeit hatte. Dieser Arbeitsplatz war grauslich, und ich empfand mein ganzes Leben in jener Zeit als nicht so toll, vorsichtig formuliert. Während der folgenden mindestens 15 Jahre war es mir immer unangenehm, wenn ich mich an jene Zeit erinnert habe. Die Erinnerung war immer mit unangenehmen Gefühlen verbunden. Doch heute sind diese Gefühle weg, die Erinnerung ist neutral. Also verabscheue ich diese Erinnerung nicht mehr. Darüber hinaus sehe ich etwas. Jene Zeit war eine Zeit der Wende. Mir fallen plötzlich bedeutende Dinge ein, die damals passiert sind und die wichtig waren. Wendezeiten haben häufig etwas Unangenehmes, wie jeder Erwachende weiß. Nach dieser Wende würde mein Leben deutlich besser.
Diese Zeit 1992 ist natürlich nicht die einzige ehemals unangenehme Erinnerung, aber es ist bei all diesen Erinnerungen dasselbe: die unangenehmen Gefühle sind nicht mehr da, die Erinnerungen sind neutral. Und wenn ich jetzt an meinen vorletzten Blogeintrag denke, Die versteckte Schuld in mir, dann fällt mir auf, dass in den letzten paar Wochen etwas Wesentliches passiert ist. Ich versinke nicht mehr in Scham, wenn ich an die beschriebenen Ereignisse denke. Die Erinnerung ist neutral.
Ein weiterer Punkt ist, dass Erinnerungen aus meinem alten Leben weiter zurückreichen als früher. Ich erinnere mich plötzlich an Dinge, die ich im Alter von drei Jahren erlebt habe. Normalerweise reicht die Erinnerung eines erwachsenen Menschen nicht so weit in die Kindheit zurück. Zumindest ich konnte mich im Alter von 40 an nichts erinnern, was ich mit drei Jahren erlebt hatte. Davon gab es nur eine Ausnahme. Ich hatte mich an einen längeren Krankenhausaufenthalt erinnert, den ich mit zweieinhalb Jahren hatte. Wegen meiner Blutkrankheit, die sehr selten und daher wenig erforscht ist. Ich hatte Stimmungen und ein paar wenige Ereignisse in Erinnerung. Das war wohl ein einschneidendes Erlebnis. Vielleicht einfach nur deshalb, weil ich als so junger Mensch so lange Zeit von meinen Eltern getrennt war. Denn ich erinnerte mich nie an unangenehme Vorfälle, ich wurde nicht schlecht behandelt. Jedenfalls ist diese Erinnerung an das Krankenhaus heute sehr viel blasser als früher. Sie ist wohl ziemlich unbedeutend geworden.
Der dritte Punkt ist, dass die Erinnerungen aus meinem alten Leben irgendwie zu mir gehören und irgendwie nicht. Es ist am ehesten so, als ob ein naher Verwandter von mir das alles erlebt hätte. Ein Verwandter, den ich gut kenne. Ja, das trifft mein Empfinden am ehesten.
Und so ist es auch tatsächlich. Es ist schon verwirrend für ein menschliches Wesen, mehrere Leben hintereinander im selben physischen Körper zu haben. Früher hat ja gegolten: eine Inkarnation = ein Leben. Wenn ein Mensch ein Leben beendet hatte, war das auch das Ende der Inkarnation. In der heutigen Zeit des Erwachens gilt das nicht mehr, da haben Erwachende mehrere Leben in einer Inkarnation, im selben Körper. Und nach der Erleuchtung ist man tatsächlich jemand anderes.
Aber es vermischt sich eben alles, wenn man innerhalb desselben Körpers stirbt und wieder geboren wird. Es fühlt sich seltsam an, ein neues Leben mit einer alten Biologie zu haben. Man wird von anderen Menschen als dieselbe Person identifiziert, obwohl man eine andere ist. Man hat denselben Namen, dieselbe Biographie etc. Das ist verwirrend und befremdend.
Ich habe ja an vielen Stellen geschrieben, dass man im Erwachen bei lebendigem Leib stirbt, dass es ein langer Sterbeprozess ist. Die Raupe stirbt, der Schmetterling wird geboren. Aber der hat dann auch einen anderen Körper, der Mensch eben nicht. In meinem Über mich schreibe ich ausschließlich über das Wesen, das ich seit meiner Erleuchtung bin und nicht über etwas, was einmal war. Ein erleuchteter (und realisierter) Mensch kann von vergangenen Inkarnationen nicht mehr behaupten. „Ich habe dieses und jenes gemacht und dieses und jenes erlebt.“ Denn der Erleuchtete ist ein anderes Wesen. Es ist so, wie ich weiter oben geschrieben habe. Diese Inkarnationen sind nahe Verwandte.
Ich wusste das alles natürlich die ganze Zeit über, aber ich habe es jetzt mit einer neuen Klarheit erlebt. Und das hat mit meinen veränderten Erinnerungen zu tun.
Das einzige, woran ich mich nach wie vor kaum erinnere, ist mein Erwachensprozess, der bei mir ja eher kurz war. (Herbst 2006 – Herbst 2009.) Ich weiß, dass da viele Mühen und Qualen waren, die jeder Erwachende kennt, und dass ich durch manche Hölle gegangen bin. Aber ehrlich gesagt erinnere ich mich an nichts davon, es ist nicht präsent, weder im Verstand noch im Gefühl.
Ich muss an dieser Stelle etwas erwähnen, was ich auch 2017 schon geschrieben habe. Sobald von etwas die Rede ist, was ich auch erlebt habe, ist die Erinnerung da. Jede Erinnerung, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, ist da. Ohne Mühe, ganz selbstverständlich. Ich könnte ja anderen Menschen nicht unterstützend zur Seite stehen, wenn dem nicht so wäre. Da weiß ich dann plötzlich, was ich als Erwachender in bestimmten Phasen erlebt und empfunden habe. Und sofort nach dem Gespräch ist die Erinnerung wieder weg.
Noch etwas ist gleich zu 2017. Die Erinnerungen aus meinem alten Leben interessieren mich nicht besonders. Ebenso wenig wie mich Geschichten von irgendwelchen anderen Menschen interessieren. Gleichzeitig finde ist sie aber auch faszinierend, meine alten Erinnerungen. Momentan habe ich richtig Spaß und Freude daran, in diese Erinnerungen einzutauchen. Und während ich da so herum tauche, baut sich eine andere Welt auf. Ich erforsche beim Tauchen in meinen alten Erinnerungen andere Welten als die, in der ich heute normalerweise lebe. Und das ist spannend.
Ich suche diese Erinnerungen nicht. Ich krame nicht in mir herum, um Erinnerungen aus meinem alten Leben zu finden. Sie poppen einfach auf. Und wenn sie da sind, gehe ich auf Erforschungsreise. Das mache ich dann so eine Stunde lang, vielleicht auch etwas länger, und dann verlasse ich diese Welt wieder.
Und schließlich zu meiner Erkenntnis, die eigentlich sehr banal scheint. Ich habe erkannt, dass dieses alte Leben ja zu mir zurückkommen muss. Im erwachenden und später erleuchteten Mensch integriert sich alles. Ich habe ja auch Erinnerungen an vergangene Inkarnationen, oder besser gesagt an Erfahrungen aus vergangenen Inkarnationen. Ich habe sogar, wenn auch selten und flüchtig, Erinnerungen an mein Leben auf der anderen Seite als nicht.physisches Wesen. (Das ist schon lange her, weil ich seit meinem ersten Besuch auf der Erde ununterbrochen inkarniert war.) Alles kommt zurück, alles integriert sich. Also kommen – natürlich – auch Erinnerungen aus einem anderen Leben in dieser Inkarnation zu mir zurück. Anders, besser, schöner. Wenngleich es natürlich und wichtig ist, dass dieses Leben, das vor der Erleuchtung war, eine Zeit lang ganz von der Bildfläche verschwindet.
Ich erinnere mich wieder und bin wieder einmal reicher geworden.
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Parfait.
Parfait.