Die versteckte Schuld in mir

Ich habe jetzt eine geraume Zeit überlegt, wie und wo ich anfangen soll bei diesem Thema, das mich irgendwie überrascht hat und irgendwie auch nicht. Wie ich es anlege, damit es für Leser nachvollziehbar ist. Und als ich begonnen habe zu schreiben, war mir klar, dass ich am besten mit gestern anfange, mit der gestrigen Nacht. Die Zeit zwischen Mitternacht und 2h Früh ist für mich immer sehr fruchtbar. Da laufen keine Geräte mehr, draußen und drinnen ist es still, und ich bin nur mit mir.

Es hatte sich natürlich schon ca. zwei Wochen lang angebahnt, und letzte Nacht bin ich dann eingestiegen. Ich habe an ein paar Dinge gedacht, bei denen ich – überraschender Weise – schon seit ein paar Jahren Schuld empfinde. Diese Dinge, diese Situationen, kommen sehr selten in mein Gedächtnis. Es ist also nicht so, dass ich da jede Woche oder jedes Monat daran denken muss. In letzter Zeit allerdings häufiger.

Da war eine Begebenheit, die sich 1988 zugetragen hat. (Vielleicht auch 1987.) Ich arbeitete in einer Firma, einem kleinen Softwarehaus, in der es mehr als locker zuging. Wir waren alle eine junge Partie, haben sehr viel gearbeitet – und auch viel getrunken. Wenn es anstand, dann haben wir auch nachts und an Wochenenden gearbeitet. Niemand hatte uns dazu aufgefordert, es war einfach selbstverständlich für uns. Ich hatte dann einen sehr großen Kunden, der weltweit tätig war und ein wirklich großes Stück Software wollte, das er als unternehmenskritisch eingestuft hatte. Eines Abends war ich bei einer Freundin eingeladen, und nach und nach fanden sich weitere Arbeitskollegen ein. Und natürlich wurde viel getrunken. Ich war am Ende ziemlich bedient, und es war schon spät. Also habe ich am nächsten Tag ordentlich verschlafen. An diesem Tag kamen aber Vorstände besagter Firma aus Hannover nach Wien, die extra wegen mir um 5h Früh aufgestanden waren, um den Termin mit mir wahrzunehmen. Ich erschien zu Mittag statt um 9h, hatte rote Augen und roch nach Alkohol. Ich habe dann zwar mühelos bis spätabends gearbeitet, auch richtig produktiv, aber der Eindruck war verheerend. An diesem Tag und die ganzen Monate danach, in denen ich mit dieser Firma zu tun hatte, hat sich nie jemand bei mir oder über mich beschwert oder mir etwas vorgeworfen. Seit ein paar Jahren fühle ich Schuld, wenn ich an diesen Tag denke. Und versinke in Scham.

1994 gab es etwas Ähnliches. Da war ich gerade Lehrer mit einer vollen Lehrverpflichtung und hatte noch einen zweiten Vollzeitjob. Und weil es damit nicht genug war, hatte ich noch einmal begonnen zu studieren. Die Vorlesungen und Seminare besuchte ich dann abends und an Wochenenden. 80 Wochenstunden Arbeit plus Studium. Bei so viel Arbeit und Leistung habe ich natürlich wieder viel getrunken. Nicht täglich natürlich, aber oft. Eines Abends bin ich in ein Lokal gegangen, wo mich niemand kannte, und habe ordentlich gebechert. Bis in die Morgenstunden. Dann nach Hause ins Bett und natürlich wieder verschlafen. Wie ein Stein habe ich bis abends geschlafen und weder das Telefon noch das Klopfen an der Tür gehört. Irgendwie habe ich zu relativ später Stunde in der Schule noch jemand erreicht und mich für mein Fortbleiben entschuldigt. Auch damals wurde mir nie etwas vorgeworfen. Man wollte natürlich eine Erklärung von mir, denn ein Lehrer kann nicht einfach so der Schule fernbleiben. Aber es gab keine Diskussion und keine Vorwürfe. Und seit ein paar Jahren fühle ich Schuld, wenn ich an diesen Tag denke. Und versinke in Scham.

Und dann gibt es eine Person, von der ich mir vor über zehn Jahren Geld ausgeborgt habe. Ich habe es nicht zurückgezahlt, weil diese Person eigentlich in meiner Schuld stand. Der Betrag, den ich mir ausgeborgt habe, deckt mit viel Wohlwollen meinerseits gerade so den Betrag ab, den mir diese Person geschuldet hat. Trotzdem empfinde ich seit ein paar Jahren Schuld, wenn ich an diese Sache denke. Und versinke in Scham.

Interessant an diesen drei Begebenheiten ist, dass ich keinerlei Schuld empfunden hatte, als sie stattfanden. Null. Auch viele Jahre danach nicht. Das Schuldgefühl im Zusammenhang mit diesen Begebenheiten ist relativ jung.

Und letzte Nacht bin ich einmal richtig eingetaucht in diese Dinge. Und dabei sind mir noch ein paar Sachen aufgefallen.

Zu der Zeit der ersten Begebenheit, die ich erzählt habe, habe ich angefangen, Schulden zu machen. Und zwar einfach dadurch, dass ich meine Konten überzogen habe. Das war gar kein Problem, denn ich habe weit über dem Durchschnitt verdient. Und dann halt noch mehr ausgegeben. Mit zwei Bankomat- und drei Kreditkarten bewegte ich mich großspurig durch die Welt und genoss Bonität ohne Ende. Ende 1990 brach dieses Kartenhaus zusammen, weil ich meinen Job gekündigt und damit diese hohen Einkünfte nicht mehr hatte. Ab 1992 habe ich dann 13 Jahre damit verbracht, diese Schulden zurückzuzahlen. Mit Zinsen und Zinseszinsen und Spesen und Anwaltskosten usw. Mein Schuldenberg 1992 war wirklich ziemlich groß.

Beachte den Zusammenhang zwischen Schuld und Schulden, der in der deutschen Sprache sichtbar wird. Im Englischen und Französischen ist das nicht der Fall. Aber der Zusammenhang besteht. Die finanziellen Schulden sind eine Ausprägung von Schuld. Wer Schulden hat, hat Schuld.

Nun, meine Schulden von früher bereiten mir kein Problem, ich empfinde keine Schuld beim Gedanken an sie. Sie spielen aber eine Rolle für meine heutige Geschichte, für das, was mir gestern aufgefallen ist.

Mein Lebenslauf war ja nie so stringent wie der anderer Menschen. Ich habe einige recht verschiedene Dinge gemacht, relativ oft den Job gewechselt und zwischendurch immer wieder nichts gemacht. Mehrere Monate lang. So in etwa ab dem Alter von 30, also ca. ab 1993, wurde ich immer anfälliger für die gängigen sozialen Prägungen. Dinge wie Stabilität, Kontinuität und ein geordnetes Leben wurden plötzlich wichtig. Ein geregeltes Einkommen, geregelte Verhältnisse, eine ordentliche Wohnung usw. wurden immer wichtiger. Und natürlich ein angepasstes Verhalten, das ich davor keineswegs an den Tag gelegt hatte. Mit anderen Worten, ich habe den ganzen Schwachsinn der Gesellschaft für mich entdeckt. Und mir damit viele Zwänge auferlegt.

Gestern habe ich gesehen, dass ich ab den mittleren 1990er Jahren bei den oben beschriebenen Begebenheiten zwar keine Schuld, aber Scham empfunden habe. „So etwas tue ich nie wieder!“, habe ich mir gesagt. Und ich habe gestern bemerkt, dass ich unbewusst nach diesen geordneten Verhältnissen gestrebt habe. Diese habe ich erst bei meinem letzten Arbeitgeber, bei meinem letzten Job gefunden. Bei allen Jobs davor waren noch unordentliche Dinge. Diesen letzten Job hatte ich von Februar 2002 bis August 2006, also viereinhalb Jahre lang. Ich hatte zwar noch Schulden, aber da war alles geordnet. Fixe Vereinbarungen mit den Gläubigern und ein hohes Einkommen, das mir trotz der Schulden ein komfortables Leben ermöglichte. Eskapaden wie früher gab es nicht mehr. Jetzt war ich endlich vorzeigbar, für mein Gefühl. Jetzt hatte ich mich endlich in die richtige Bahn gepresst.

Doch bereits Ende 2003 zeichneten sich die ersten Vorläufer des Erwachens ab. 2006 habe ich diesen Job gekündigt und begann sofort wirklich zu erwachen. Ab da war auch nichts mehr geregelt und geordnet. Dafür war ich meine Schulden los. Was dann drei Jahre später geschah, kennst du ja, wenn du meine Website öfter besuchst. Ende 2009 die Erleuchtung, und ab Anfang 2010 kannst du schon alles in meinem Blog nachlesen.


Vor ca. zwei Wochen ist mir etwas in den Sinn gekommen, an das ich schon lange nicht mehr gedacht habe. Die erste bewusste Begegnung mit meiner Seele hatte ich 2006 in Form eines Seelenchannelings. Da erfuhr ich unter anderem etwas über Macht und Schuld in meinem Leben. Vor ca. 3.500 Jahren hatte ich am sumerischen Hof eine sehr machtvolle Position inne, die ich heftig missbrauchte. Nachdem meine Machenschaften aufgeflogen waren, wurde ich gehängt. In den folgenden Jahren konnte ich dann fühlen, was damals war. Diese Geschichte spielte immer wieder kurz eine Rolle in meinem erwachten Leben. Und vor ca. zwei Wochen, natürlich nachts, sah ich plötzlich wieder diesen armen Mann da am Galgen hängen. Ich hatte großes Mitgefühl mit ihm, nahm ihn vom Galgen herunter und streichelte ihn. Ich sah ihn nicht als mich, sondern mehr wie einen Verwandten. Das kommt auch der tatsächlichen Stellung viel näher.

Später, als ich im Bett lag und schlief, hatte ich einen heftigen Traum. Er hatte etwas mit Verfolgung zu tun, genauer weiß ich es heute nicht mehr. Letzte Nacht wurde mir bewusst, dass mein Mitgefühl für den Gehängten und mein Umgang mit ihm ein Schlüsselerlebnis in meiner Schuldgeschichte war. Ich hatte mir endlich meine Schuld vergeben.

Gestern fiel mir auch noch ein, dass ich vor etwas über zwei Jahren über die Begegnung mit altbekannten Aspekten geschrieben hatte. Darunter war auch die Schuld. Dazu möchte ich jetzt sagen, dass ich im Zuge meines Erwachens natürlich meine Begegnungen mit meiner Schuld hatte, wie jeder erwachende Mensch. Nach meiner Erleuchtung schien das Thema erledigt zu sein und spielte auch lange Zeit keine Rolle mehr. Im September 2019 bemerkte ich, dass da noch etwas da war, so wie in den letzten Tagen. Etwas, das noch ein paar Stockwerke tiefer lag. Lies diesen Absatz, er ist unten verlinkt. Genauso empfand ich das in den letzten Tagen bis gestern auch.

Was ich hier also sagen möchte, ist, dass mein heutiges Schuldthema schon seit über zwei Jahren im Untergrund schwelt, wie auch meine Empfindungen bei den drei Begebenheiten zeigen. Da ist (oder war) also Schuld in mir, ziemlich gut versteckt. Bei meinem Gewahrsein muss etwas schon wirklich gut versteckt sein, damit ich es nicht bemerke. Und jetzt bin ich froh, es endlich gesehen zu haben. Es mir erlaubt zu haben, zu sehen.

Und schließlich kam der Knaller für mich. Ich laboriere ja seit gefühlten Ewigkeiten an dem leidigen Geldthema. Immer wieder manövriere ich mich mit absoluter Treffsicherheit in finanzielle Probleme. Da läuft eine Zeit lang alles rund und problemlos, und dann kommt der Einbruch. Ohne dass ich irgendetwas anders machen würde als vorher, weder äußerlich noch innerlich. Ich bin dieser Sache wirklich müde. Ich meine, ich weiß, wie das alles funktioniert, ich weiß es wirklich. Ich brauche dann einige Mühe, um mich wieder in eine entspannte Haltung zu bringen und mir keine Gedanken über Geld zu machen. Dann fließt es wieder. Aber wieso kommt es überhaupt immer wieder so weit?

Das war der gestrige Knaller. Plötzlich habe ich gesehen, dass meine Geldprobleme angefangen haben, nachdem ich keine Schulden mehr hatte. Also am Anfang waren da auch ein paar andere Dinge. Der Paradigmenwechsel von „Ich muss für Geld (hart) arbeiten“ zu „Ich muss nicht nur nicht für Geld arbeiten, sondern ich darf darf nichts für den Geldfluss tun“ braucht schon einige Zeit, um sich wirklich im Bewusstsein zu verankern. Aber ich habe bemerkt, dass mir speziell im Lauf der letzten fünf Jahre immer bewusster wurde, dass ich keine Schulden habe. Nirgends, einfach gar keine. (Außer beim Vermieter, wenn ich gerade wieder in einer Supermangelphase bin.) Und da hat ein Mechanismus eingesetzt. Wenn meine Schulden nicht mehr für Mangel sorgen konnten, mussten eben die Einnahmen ausbleiben. Schuld ist schließlich Schuld. Basta.

Früher ist es mir immer leicht gefallen, viel Geld einzunehmen. Und ich hatte meine Schulden, die diese Einnahmen drastisch reduzierten. Nun habe ich schon lange keine Schulden mehr, also muss ich dafür sorgen, dass ich keine Einnahmen habe. Immer wieder. Und so habe ich mir über Jahre ein Glaubenssystem aufgebaut, das besagte, dass es für mich halt einfach schwierig sei, finanziellen Wohlstand zu haben. Dass dieser Glaube immer wieder falsifiziert wurde, habe ich geflissentlich ignoriert. Immer wieder erlebte ich, dass Geld ganz leicht und anmutig zu mir kam. Aber Glaube ist eben Glaube, und der tendiert langfristig dazu, sich immer wieder zu bewahrheiten.

In der letzten Woche, von vorigem Montag bis gestern, wurde ich drei Mal gefragt, ob ich Schulden hätte. Davor Jahre nicht. Drei Mal in einer Woche! Deutlicher konnte der Hinweis nicht sein. Gesehen habe ich ihn aber erst gestern Nacht.

Da ist mir auch aufgefallen, dass ich keine Schuld empfinde, wenn ich an die vielen Menschen denke, die ich verlassen habe. Obwohl ich dabei manchmal etwas rüde war. Wir sind halt andere Wege gegangen, und da mag ich es nicht, wenn jemand an mir kleben bleibt. Das ist eine völlig natürliche Entwicklung während des Erwachens, und nach der Erleuchtung noch einmal stärker. Keine Schuld.


Nun war der Bogen perfekt. Mein Herantasten an die drei Begebenheiten, bei denen ich Schuld empfinde. (Es gibt sicher noch ein paar, aber diese drei zeigen sich schon seit ein paar Jahren immer wieder leise.) Das leise Spüren meiner Schuld seit etwas über zwei Jahren, das ich schriftlich festgehalten habe. Das Aufbauen meines Schuldenbergs in den Jahren von 1988 – 1991, mein Leiden unter diesem Schuldenberg und mein gestriges Erkennen, welchen Zweck er hatte. Die dreimalige Frage nach meinen Schulden. Und schließlich das Herabnehmen des Schuldigen vom Galgen und seine liebevolle Annahme.

Ich habe mir das alles emotionslos angeschaut und festgestellt: „Da ist Schuld in mir.“ Es geht gar nicht um diese drei Begebenheiten, die dienen nur als Katalysatoren. Da ist einfach Schuld in mir. Schuld, die mich lange Zeit ordentlich gebremst hat. Und bei Schuld geht es nur darum, sie zu sehen, anzuerkennen, dass sie da ist, sich bewusst zu machen, dass man keine Schuld hat und sich gegebenenfalls zu vergeben. Ende des Themas.

Ich war weder verärgert noch frustriert noch sonst was in dieser Richtung. Ich war auch nicht erschüttert. Ich war froh, das alles endlich ins Licht meines Bewusstseins geholt zu haben. Und ich war erleichtert. angel