Erwachende wähnen sich oft und gerne in der Vorstellung, dass sie eine lineare Entwicklung in Richtung Erleuchtung vor sich hätten. Und sie glauben auch gerne, dass sie etwas falsch gemacht oder nicht hingekriegt hätten, wenn in der Vergangenheit etwas nicht linear verlaufen ist. Die Vorstellung und die Erwartung der Linearität ist völlig falsch, und das Festhalten dieses Glaubens kann verdammt weh tun.
Der Prozess des Erwachens ist nicht linear.
Es gibt keine vorgezeichnete Entwicklung, keinen vorgezeichneten Pfad. Darüber hinaus ist der Weg individuell, du kannst dich also nicht mit anderen vergleichen. Aber Menschen tun das gerne, sie messen sich, sie treffen Urteile darüber, wo sie im Vergleich zu anderen stehen. Das ist sehr, sehr kontraproduktiv und entspringt den Erfolgsmaßstäben des dualen menschlichen Selbsts.
Im Erwachen geht alles drunter und drüber, es geht vor und zurück (bzw. scheint es vor und zurück zu gehen), es geht irgendwie in alle Richtungen gleichzeitig – und zur selben Zeit in die jeweils entgegengesetzte Richtung, es geht nach oben und nach unten, nach außen und nach innen, mal schnell und mal scheinbar unendlich langsam Hm, klingt ganz nach Neuer Energie.
Da gibt es Zeiten, wo dein Verstand über eine längere Periode immer ruhiger wird, und du betrachtest das als Erfolg, als gutes Zeichen. Und dann wird er aktiver als je zuvor, sodass du glaubst, bald verrückt zu werden. Und was machst du? Du machst dir Sorgen.
Da gibt es Phasen, wo du dich sehr eins mit dir fühlst. In diesen Phasen bist du ruhiger und gleichzeitig lebendiger. Du bist glücklich und empfindest tiefe Freude. Du glaubst, dass du jetzt überm Berg bist und wohl sehr bald deine Erleuchtung erleben wirst. Und gleich darauf ist in dir wieder alles flach und unruhig und nervös und frustriert, du sehnst dich nach dem Gefühl des Eins-Seins, aber es ist weg.
Eine Zeit lang glaubst du, du hättest alle Dämonen deiner langen Vergangenheit nach Hause geholt und integriert. Nur um bald zu bemerken, dass da noch zig oder gar hunderte sind, die noch schlimmer zu sein scheinen als die, die du schon integriert hast.
Du erlebst eine Periode, in der dir alles gelingt, was du angreifst. Aus deinen Schöpfungen wird das, was du dir gewünscht hast. Was heißt! Es wird alles viel besser! Alles, was du brauchst, kommt völlig mühelos zu dir, du erlebst immer mehr Synchronizität, sodass du dich manchmal richtig darüber wunderst. Und dann ist sie wieder weg. Alles wird mühsam, du musst dich anstrengen und den Dingen nachlaufen, deine Schöpfungen sind nur mehr quälend und frustrierend.
Du hast Zeiten der Erkenntnis, du erlebst wahre Schübe von Erkenntnis, und zwar auf Ebene 4. Nie zuvor hast du so klar gesehen. Du glaubst, alles, oder zumindest fast alles, erkannt zu haben. Du erlebst dein Gespür, deinen sechsten Sinn. Und etwas später ist alles nur mehr eine Erinnerung in deinem Verstand. Du siehst es nicht mehr, du erinnerst dich nur noch daran, dass du es gesehen hast.
In manchen Zeiten fühlst du dich energiegeladen wie kaum in deinem Leben, du könntest Bäume ausreißen. In anderen Zeiten bist du so schwach, dass dir jede Bewegung schwerfällt.
Und dann wirst du zu allem Überfluss auch noch krank …
Der Prozess des Erwachens ist nicht linear.
Letztlich rührt alles daher, dass sich das Menschliche mit dem Göttlichen integriert. Der Mensch weiß überhaupt nicht, was da genau vor sich geht. Wie denn auch, er hat so etwas noch nie in seiner ganzen Existenz erlebt. Also macht er sich Vorstellungen über den Prozess, reagiert auf die Entwicklungen irgendwie und macht sich – leider völlig unnötig – Sorgen. Die Vorstellungen und Reaktionen sind es, die die Schmerzen bereiten. Dass sich Mensch und Gott immer wieder auf einander zu bewegen und sich wieder von einander entfernen, ist normal und dem Prozess immanent.
All das zusammen ergibt einen nicht linearen, völlig individuellen Entwicklungsverlauf. Mach dir also keine Sorgen, wenn du erlebst, dass die Dinge aus deiner menschlichen Sicht immer wieder schlechter zu werden scheinen. Das tun sie nämlich nicht. Du hast nur nicht die Sicht auf das große Ganze, wenn du wieder einmal in Sorge auf deine Entwicklung blickst. Und erinnere dich daran: Was du beim Erwachen durchmachst, ist absolut überwältigend und einzigartig. Das muss dir erst einmal jemand nachmachen!