Hier sind zwei Hilfsmittel, die nicht so groß scheinen wie die anderen, und die nichts mit einer Beschäftigung zu tun haben. Dennoch sind sie wichtig und hilfreich.
Die Wichtigkeit von Pausen kann kaum überschätzt werden. Diese Tatsache habe ich früher in meiner Arbeitswelt schon oft verkündet und natürlich selbst reichlich praktiziert. Für mich als Raucher und meine rauchenden Kollegen war die zunehmende Verbannung der Raucher durchaus hilfreich. Wir konnten am Arbeitsplatz nicht mehr rauchen und mussten in ein Raucherkammerl gehen. Nun war die Zigarette mit einer Pause verbunden. Und was da entstand, war legendär. In den Pausen nahmen wir Abstand von dem mentalen Karussell, in dem wir uns bei der Befassung mit Problemen und Aufgabenstellungen oft befanden. Und plötzlich war Platz für kreative Lösungen. Alle meine rauchenden Kollegen waren sich darüber einig, dass das Raucherkammerl der Ideenpool Nummer 1 war.
Im Kontext des Erwachens ist es dasselbe. Vielleicht bist du in Gedanken mit einem Thema befasst. Dabei stellst du fest, dass du dich letztlich im Kreis drehst. Mach eine Pause! Ich habe dieses Prinzip schon beim Spazierengehen und bei der Zerstreuung erwähnt. Atme durch, bring dich auf andere Gedanken, tu irgendwas. Mach eine Pause von dem, was du gerade tust bzw. denkst. Durch die Pause kommst du weg von der Anhaftung an deine aktuelle Beschäftigung, raus aus dem alten, menschlichen Spiel, und gibst dir die Gelegenheit, andere Instanzen in dir zu Wort kommen zu lassen. Selbst wenn die Pausen nur kurz sind, ein paar Minuten, sind sie schon sehr hilfreich. Es schadet aber auch nicht, gleich ein paar Stunden Pause zu machen.
Dasselbe gilt auch für Aktivitäten, auch für die, die dir wirklich Spaß machen. Angenommen, du arbeitest gerade an einer Schöpfung, die dir wirklich Freude bereitet. Der Mensch ist dann geneigt, viele Stunden durchzuarbeiten. Ich empfehle dir, auch da Pausen zu machen, auch wenn du gerade von Freude erfüllt bist. Es ist einfach so menschlich, in die Sache immer tiefer hinein zu kippen und sich letztendlich darin zu verlieren. Es kommt der Punkt, wo ein Fortführen der Tätigkeit der Schöpfung nicht mehr dient. Sie wird schöner und prächtiger, wenn du zwischendurch Pausen einlegst. Auch hier kommen in den Pausen noch bessere Ideen und noch mehr Freude.
Ich habe das selbst oft erlebt. Und oft bin ich an einen Punkt geraten, wo mir das Erschaffen plötzlich keine Freude mehr machte und ich in einem alten Arbeitsmodus drin war. Das Erschaffen fühlte sich dann auf einmal wie Arbeit an, die anstrengend war und zu Ende gebracht werden musste. Heute trete ich öfter zurück und mache Pausen. Oft wird die Arbeit dann erst am nächsten Tag fortgesetzt. Oder ich stelle fest, dass mir die Sache jetzt gar nicht so wichtig ist, wie ich glaubte. Die Pausen bringen wirklich einen klareren Blick.
Oder es geschieht etwas, auf das mein menschliches Selbst glaubt, reagieren zu müssen. Ich spüre aber, dass ich in meiner Tiefe gar keine Lust dazu habe. Also lasse ich es, in der Regel bis zum nächsten Tag. In den meisten Fällen sehe ich dann überhaupt keine Notwendigkeit mehr, mit dieser Sache überhaupt etwas zu tun. In den anderen Fällen sieht dann meine Antwort ganz anders aus, als die erste Reaktion ausgesehen hätte. Die Antwort ist immer so, dass ich einen größeren Frieden in mir spüre als bei der Reaktion.
Das bewusste Pausenmachen bringt dich dazu, immer öfter zu antworten anstatt zu reagieren. Die Reaktion entspringt einem konditionierten Muster, ist also unbewusst. Die Antwort kommt von einer tieferen Instanz in dir und ist bewusst. Ein bewusster Schöpfer reagiert nicht, er antwortet. Darin liegt seine Schöpferkraft, dadurch kann er die Situation bewusst gestalten.
Das zweite Hilfsmittel ist nicht unbedingt zur häufigen Anwendung gedacht. Ab und zu kann es jedoch ein wahrer Segen sein. Schau ab und zu zurück. Nicht auf deine Geschichte, nicht auf irgendetwas, das du einmal warst. Nein, ich meine das in folgendem Kontext:
Manchmal – oder auch öfter – hast du im Übergang große Sorgen und große Zweifel. Manchmal scheint es dir, als ob du feststecken würdest. Manchmal siehst du keinen Ausweg. Manchmal kommen dir deine Probleme unüberwindlich vor. An so einem Punkt tut es wirklich gut, einmal zurückzuschauen. Wo bist du vor einem halben Jahr gestanden? Wo vor einem ganzen Jahr? Weiter zurück brauchst du gar nicht gehen, diese Zeiträume genügen vollkommen. Und dann siehst du, welch enorme Entwicklung du im letzten halben Jahr oder Jahr gemacht hast. Dann siehst du, dass du überhaupt nicht stehen oder stecken geblieben bist. Welche Probleme hast du damals gesehen? Vielleicht siehst du ein paar davon noch immer, aber andere sind nun weg. Die Rückschau erinnert dich daran, dass du ständig Fortschritte machst und dass sich ständig etwas bewegt.
Der Mensch ist es ja gewöhnt, nach vorne zu schauen und das zu sehen, was er noch nicht erreicht hat und was er noch alles tun und erreichen muss. Das ist ein guter Weg, sich dauerhaft unglücklich zu machen. In der Rückschau hingegen siehst du, was du schon alles erreicht hast, und du siehst, dass das ziemlich viel ist. Dieser Eindruck und diese Haltung lassen dich gnädiger mit dir sein und die aktuelle Situation in einem anderen Licht sehen, in einem schöneren.
Du kannst gut die eine oder andere Pause dazu nutzen, zurück zu schauen. Vielleicht bringt dich das schon aus deinem Gedankenkarussell heraus und lässt dein aktuelles Problem schmelzen oder sehr klein werden.
Im Fall der Pause in einem Schöpfungsprozess kannst du auch zurückschauen. Hier nicht auf dein Leben, sondern auf deine Schöpfung. Wieviel hast du schon gemacht? Wie weit bist du schon gekommen? Ist die Schöpfung nicht bereits jetzt sehr schön, auch wenn sie nach deinem Geschmack noch nicht fertig ist?
Wie gesagt, ich meine mit dem Zurückschauen nicht, dass jemand in der Vergangenheit hängen soll. Um Gottes Willen, nein! Die Rückschau liefert eine andere Bezugsgröße, einen anderen Maßstab. Wenn du in die Zukunft und damit auf das schaust, was du noch tun musst, siehst du das halb leere Glas. Wenn du dir vor Augen führst, was du schon alles erreicht hast, siehst du das halb volle Glas. Und wahrscheinlich ist das Glas zu wesentlich mehr als der Hälfte gefüllt.