Es ist schon irgendwie witzig, dass ich heute über das spirituelle Erwachen schreibe, wo ich mich schon so lange damit beschäftige und meine Unterstützung für erwachende Menschen anbiete. Ich bin immer implizit davon ausgegangen, dass Erwachende wissen, worum es geht. Auf meine Klienten trifft das auch zu, und vermutlich auch auf den Großteil meiner Leserschaft. Aber keineswegs auf alle Erwachenden. Ebenso wie frisch erleuchtete Menschen oft genug allein im Wald stehen und noch nicht richtig erfassen, wo sie denn nun gelandet sind.
Es gibt natürlich einen Anlassfall. Vor zwei Tagen bin ich auf Facebook über eine Gruppe gestolpert, die mein Interesse weckte. Es ginge um spirituelles Erwachen und um Erleuchtung, hieß es, und darum, einander auf diesem Weg zu unterstützen. Die Beschreibung der Gruppe klang sehr gefühlvoll und authentisch. Also rein in die Gruppe, dachte ich mir, zumal sie mit etwas über 500 Mitgliedern nicht so groß war, dass da ein heilloses Durcheinander entstehen würde. (So etwas kenne ich nämlich auch schon.)
Doch was musste ich dann sehen? Zuerst unzählige Beiträge, in denen ein Gruppenmitglied Werbung für sein Reiki machte. Und dann eine One-Man-Show eines Administrators mit Bildern von Zitaten von irgendwelchen Menschen. Also zuerst viel Lärm durch Werbung, danach ein Mann, der sich durch endloses Zitieren anderer selbst als weise darstellen wollte. Austausch gab es natürlich keinen, wie denn auch. Als ich etwas schreiben wollte, sah ich, dass man da gar nicht schreiben konnte. Jeder Beitrag musste von einem Admin freigegeben werden. Also auch noch totale Kontrolle. Von Erwachen konnte ich meilenweit nichts erkennen. Das führte mich zu dem Titel und dem Inhalt meines heutigen Blogeintrags.
Was ist also nun dieses spirituelle Erwachen?
Kurz und einfach gesagt: eine Reise zu sich selbst.
Die Reise beginnt mit einem Ruf von innen. Plötzlich interessiert man sich für Dinge, für die man sich vorher nicht interessiert hat. Plötzlich hinterfragt man Dinge, die man davor einfach als gegeben angenommen hat. Und schon führt eins zum anderen.
Der Auslöser dafür kann alles Mögliche sein. Ein Buch oder ein Teil eines Buches; ein Gespräch; etwas, was man gehört hat; ein Film oder ein Ausschnitt daraus; eine Website; ein Werbung … was auch immer. Manche Menschen hören auch tatsächlich eine Stimme im Inneren und fragen sich, woher die denn kommt. Bei mir war es ganz lustig. Eines Tages ging ich wie ferngesteuert zur nächsten Buchhandlung und steuerte dort ganz automatisch direkt auf die Esoterik-Abteilung zu. So etwas wäre mir früher im Traum nicht eingefallen.
Es gibt also einen inneren Ruf, einen inneren Drang, dem man sich praktisch nicht widersetzen kann. Man tut plötzlich Dinge, die man davor nicht getan hätte. Aus scheinbar keinem greifbaren Grund. Die Motivation dahinter ist aber ganz klar und eindeutig, auch wenn sie einem in diesem Stadium überhaupt nicht bewusst ist. Sie lautet: entdecke dich selbst!
Nach anfänglicher Euphorie und Begeisterung und den ersten, großen Schritten wird die Reise dann ziemlich mühsam und immer herausfordernder. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Der eine ist, dass alle Antworten, die man da von sich selbst erhält, für den Menschenverstand total verrückt sind. Sie sind geradezu das Gegenteil dessen, was man ein Leben lang geglaubt und für richtig gehalten hat. Der andere Grund ist, dass nun endlich und immer schneller alte Dinge zum Vorschein kommen, die man viele Leben lang tief und fest verschüttet hatte. Zusammen mit dem total unterentwickelten Vertrauen in sich selbst (Das gilt für alle Menschen!) ergibt das den Cocktail, der die Reise zu sich selbst, also das spirituelle Erwachen, zu einer wahren Qual werden lassen.
Also nix da mit vielen Blümchen, ewigem Frieden, wir lieben uns alle, wir sind alle eins und wir kümmern uns um die Armen und Schwachen. Das genaue Gegenteil ist der Fall, das genaue Gegenteil. Der Weg ist steinig und einsam. Du lernst, nicht alle zu lieben, sondern dich zu lieben. Du lernst, dass du niemandem Frieden geben kannst, sondern dass du ihn nur in dir und für dich entdecken kannst. Du lernst nicht, dass wir alle eins sind, sondern wer du bist. Du lernst nicht, dich um andere zu kümmern, sondern dich endlich um dich selbst zu kümmern und die Verantwortung für dich selbst zu übernehmen. Das sind harte Brocken, sehr harte.
Spirituelles Erwachen hat nichts mit Religion zu tun, mit keiner Religion. Es hat nichts mit New Age und Esoterik zu tun. Es hat nichts mit Philosophien des fernen Ostens zu tun, wie alt und geehrt sie auch sein mögen. Es hat nichts mit Yoga, Tantra, Reiki und was weiß der Kuckuck zu tun. Nichts, absolut nichts, ganz und gar nicht!
Spirituelles Erwachen hat nichts mit der angeblichen Macht des Lichts und der angeblichen Macht des Dunkels zu tun. Es hat überhaupt nichts mit Macht zu tun, auch nicht mit Macht über dich selbst. Es hat nichts mit vermeintlich heftigen Energien von irgendwoher zu tun. Es hat nichts mit dem Universum und schon gar nichts mit einem Gott irgendwo da oben zu tun. Mit Göttlichkeit jedoch hat es sehr viel zu tun, nämlich mit deiner Göttlichkeit. Es hat nichts mit Steuerung und Kontrolle zu tun.
Spirituelles Erwachen – und das ist in Wahrheit einer der härtesten Brocken für alle – hat nichts mit der (vermeintlichen) Weisheit von anderen zu tun. Absolut ganz und gar nichts. Das schließt meine Weisheit mit ein. Und die von Buddha, Jeshua und diverser aufgestiegener Meister, die vielerorts gechannelt werden.
Für die meisten erwachenden Menschen ist das in der Tat unerträglich. Sie verlassen sich so gerne auf die Weisheit ihrer Meister, ob lebend oder tot. Die müssen es doch wissen, glauben sie. Nix da! Beim Erwachen geht es um deine Weisheit, nicht um die Weisheit anderer. Du erwachst nie vollständig, solange du dich auf die Weisheit anderer stützt.
Andere weise Menschen können dich inspirieren und ein Stück weit begleiten. Ein Stück, nicht ein Leben lang! Meine Klienten wissen, dass ich sie immer wieder zu sich selbst führe, damit sie auch selbst im Dickicht ihrer Gedanken ihre eigene Weisheit sehen, so wie ich sie sehen kann. Deshalb müssen sie mich auch nur selten konsultieren.
Ich wiederhole: das spirituelle Erwachen ist die Reise zu dir selbst; du entdeckst dich selbst. Welche Rolle sollte also die Weisheit von anderen spielen? Und welche deine eigene Weisheit?
Jede Reise ist individuell, es gibt keine zwei gleichen Reisen. Ebenso wie jedes Wesen individuell und einzigartig ist. Mit einem eigenen, unverwechselbaren Erfahrungsschatz, der eine eigene, unverwechselbare Weisheit ergibt. Also kann es auf deiner Reise, die übrigens nie endet, nur um deine Weisheit gehen. Vergiss also deine Meister.
Das spirituelle Erwachen gipfelt in der Erleuchtung. Das ist die Große Erkenntnis, in der du dich selbst ganz und gar erkennst und siehst, wo du nun sonnenklar siehst, wer du wirklich bist. Diese Erkenntnis verändert nun endgültig alles, und sie ist der Beginn einer neuen Reise.
Die Erleuchtung passiert für fast alle Menschen nicht in derselben Inkarnation wie der Beginn des spirituellen Erwachens. Das bedeutet, dass die meisten Menschen, die das hier lesen, schon einige Inkarnationen des spirituellen Erwachens hinter sich haben, was sie in dieser Inkarnation natürlich wieder vergessen haben. Beim Erwachen in diesem Leben haben sie natürlich nicht alles vergessen, sie fangen nicht wieder bei Null an. Ein paar andere Menschen, die jetzt ihren Prozess des Erwachens erleben, werden Ihre Erleuchtung nicht in dieser Inkarnation erfahren. Warum? Weil es ihnen zu schnell geht, weil es ihnen zu viel auf einmal ist, weil sie noch nicht bereit für diese tiefgreifende, herausfordernde Veränderung sind. Ich war es in einigen früheren Inkarnationen auch noch nicht.