Die eine Seite
Mein Leben wird mir immer klarer. Das heißt, ich werde mir immer klarer. Eine „Erkenntnis“ jagt die andere, das geht sehr schnell. (Eine Erkenntnis ist ja nichts anderes als eine Bewusstwerdung. Es tritt etwas in mein Bewusstsein, was zuvor unbewusst war.) Manche Erkenntnisse scheinen mir sehr fundamental, wie zB der Bewusstseinskörper, von dem Adamus letztes Mal sprach, der letzten Dezember in mein Bewusstsein schoss und meine Wahrnehmung meiner selbst grundlegend änderte. Andere scheinen nicht so grundsätzlich, sind aber genauso erhellend.
Ich nehme Neue Energie immer öfter und immer deutlicher wahr. Der Unterschied zwischen Alter und Neuer Energie steht so deutlich vor mir, dass ich mich frage, wie ich etwas so Einfaches früher übersehen konnte.
Ich kann mir immer besser selbst vertrauen. Und zwar dadurch, dass ich meinen Gefühlen vertraue. Wenn mir also zB jemand etwas erzählt, das sich für mich logisch, nachvollziehbar und verständlich anhört, ich mich aber trotzdem unwohl dabei fühle, vertraue ich meinem Gefühl. Ich sage mir dann: Das stimmt für mich nicht. Und prompt entsteht dann in den folgenden Stunden und Tagen eine Antwort in mir, die mir meine Darlegung der Dinge liefert, die sich dann sehr gut und stimmig und richtig anfühlt.
In diesen Momenten fühle ich mich sehr groß und weise. Ich fühle mich wahrhaftig als Meister. Ich bin dann sehr glücklich, zufrieden und friedlich. Friedlich mit mir und der ganzen Welt. Ich empfinde genau das, was Adamus gesagt hat: Ich werde mir immer mehr Dinge bewusst bzw. gewahr. Es ist nur folgerichtig, dass ich mir dann groß und weise vorkomme.
Die andere Seite
Parallel zu dieser Entwicklung findet eine andere statt. Ich bringe mich immer häufiger in Situationen, in denen ich mich unendlich klein fühle. Wobei „unendlich klein“ schamlos untertrieben ist. In diesen Situationen fühle ich mich winzig, so winzig, dass ich gerade noch etwas mehr als nichts bin. Nur die visuelle Wahrnehmbarkeit meines physischen Körpers unterscheidet mich vom Nichts. Aber das Gefühl sagt, ich bin nichts. Eigentlich sogar schlimmer als nichts. Ich fühle mich nicht nur klein, sondern schlecht, gering. Ich bin absolut ohnmächtig, kann nichts tun und bin nur von der Gnade anderer abhängig. Alles, was ich bin, ist schlecht. Alles, was ich tue und jemals getan habe, ist schlecht. In meinem Tagebuch steht an solchen Tagen oft die Formulierung „der letzte Dreck“. Genauso fühle ich mich. Jeder Mensch, absolut jeder, ist in dieser Stimmung besser, reifer, weiser und wertvoller als ich. Menschen, an denen ich irgendetwas bewundere, die jedoch an normalen Tagen auf derselben Augenhöhe mit mir stehen, sind in diesen Situationen Riesen! Sie sind der perfekte Gott, und ich bin ein beschmutztes Staubkorn. Es ist nur recht und billig, wenn andere auf mir herum treten.
Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, das halbwegs vorstellbar zu beschreiben. Es ist wirklich extrem. Die Gefühle, die ich beschrieben habe, erzeugen dann ein Gefühl von tiefer Traurigkeit. Ich fühle mich dann klein, schmutzig, ohnmächtig, traurig, sehr verletzt und sehr verletzbar.
In den letzten paar Wochen habe ich mich vermehrt in solche Situationen gebracht, wo diese Kleinheit ans Tageslicht kam. Dabei wird die Wahrnehmung dieser Gefühle immer stärker und intensiver. Gestern war es wieder soweit. Der Tag hatte gut begonnen, ich hatte wieder eine Erkenntnis. Mir wurde klar, wie ich mit bestimmten Energien umgehe. Das war in dem Fall nicht nur erhellend sondern auch befreiend. Später schrieb ich jemandem ein Mail. Es war eine dieser Personen, an denen ich etwas bewundere. Und schlagartig breitete sich meine Kleinheit in voller Größe in mir aus. So intensiv war die Wahrnehmung meiner Kleinheit und Schlechtigkeit noch nie. In dieser Stimmung hing ich dann gut und gerne sechs, sieben Stunden. Sie wurde immer stärker, mein Leben schien immer trostloser.
In meinem Elend fiel mir aber auf, dass ich es nicht loswerden wollte. Ich wollte keines dieser Gefühle wegschieben, abschütteln oder überwinden. Ganz im Gegenteil. Oh nein, es war nicht Selbstmitleid, in dem ich mich suhlen wollte. Selbstmitleid war nie so ganz meine Sache. Ich wollte diese Gefühle kennen lernen. Oder das, was diese Gefühle auslöste. Überhaupt habe ich nicht mehr die geringste Lust, irgendetwas wegzuschieben. Ich will alles kennen lernen, was da ist. Dieses Nicht-Wegschieben-Wollen, das aus dem Herzen kam, freute mich wieder, in all meiner Trübsal.
Zunächst dachte ich noch: „Was ist denn schon wieder los mit mir? Habe ich noch immer so ein Riesen Selbstwertthema? Allmählich nervt mich das!“ Aber die Geschichte mit dem Selbstwert passte nicht mehr. Das fühlte sich nicht richtig an. Ich hatte es mit keinem Selbstwertthema zu tun, obwohl es vordergründig so aussehen mag.
In letzter Zeit nehme ich immer öfter mein Pakauwah zu Hilfe, wenn ich nicht klar sehe. Ich sagte also: „Pocahontas, zeige mir, was da los ist.“ Am späten Abend entstand dann ein Bild in mir.
Zunächst einmal fiel mir auf, dass diese Klein-Phasen in immer kürzeren Abständen nach den Groß-Phasen folgen. Die Klein-Erlebnisse werden immer heftiger. (Ich kann mir kaum vorstellen, noch tiefer als gestern zu sinken. Das kam mir schon wie der absolute Nullpunkt vor.) Und mir fiel auf, dass ich schon seit geraumer Zeit diese unangenehmen Gefühle nicht mehr wegschieben will. Wenn sie schon da sind, dann sollen sie auch da bleiben. Ich will sie kennen lernen. Und dann kam das Bild: Es ist einfach der aller verletzteste Teil von mir, der sich nun voll an die Oberfläche kommen traut. Da ich nun so viel von mir wahrnehme und nichts mehr beiseite schieben will, traut er sich, sich ganz zu zeigen. Genau genommen tut er das schon lange, aber früher habe ich noch eher versucht, diese Stimmung zu überwinden und mich wieder gut zu fühlen.
Und dann fiel mir Kryon ein, der so oft vom feiern spricht. Ich dachte mir, dieses Auftreten der winzigsten Kleinheit, das so grausliche Gefühle auslöst, ist ein Grund zum Feiern! Endlich traut sich mein so tief verletztes Kind aus seiner Höhle heraus. Endlich nehme ich es an. Und da gibt’s kein Thema und nichts zu bearbeiten. Ich brauche diesen verletzten Teil nur da sein lassen. Alles Nötige geschieht dann von selbst.
So wurde aus dem dunklen Loch eine Feierstimmung. Und das fühlte sich wieder gut und richtig an.