Bewusstheit

Ich sag’s gleich vorweg, in diesem Beitrag über Bewusstheit geht es auch um spirituelle Arroganz. Wer mich kennt, weiß, dass da jetzt ein paar Nadelstiche kommen. wink Beides gehört unter dem Blickwinkel, von dem aus ich über Bewusstheit schreibe, zusammen. Die Arroganz kann nur durch Mangel an Bewusstheit entstehen. Clau dia hat ja einen schönen Bl og darüber geschrieben, der meinem Geschmack nach ein bisschen ausführlicher hätte sein können, denn inhaltlich hat er mir sehr gut gefallen. Aber zum Thema.

Vorgestern am späten Abend habe ich über meine Energielosigkeit geschrieben. Darüber, dass ich ganz offensichtlich keine Energie anziehe und auf der anderen Seite viel Energie abgebe. Als letzter in meinem System zeigte mir das auch mein Körper. Manche Menschen interpretierten meinen Beitrag so, als ob ich über körperliche Schwäche geschrieben hätte. Habe ich aber nicht. Ich habe nur erzählt, dass mir nun auch mein Körper die Energielosigkeit zeigt. Wenn ich zu wenig Energie habe, hat auch mein Körper zu wenig Energie. Früher oder später. Bei mir ist das so, dass mein Körper erst sehr spät reagiert. Dieses Wunderwerk ist mir ein wahrhaft hervorragender Diener. Wahrscheinlich auch deshalb, weil ich ein so gutes Verhältnis zu ihm habe und ihn so sehr schätze. Wenn mein Körper einmal schreit, ist es für mich höchste Zeit, innezuhalten und etwas zu überdenken, was ich davor beiseite geschoben habe. Und das tue ich dann auch.

Ich fand es zwar bedauerlich, musste aber auch darüber lachen, was dann geschah. Ich hatte ja geschrieben, dass mir der Wind unter meinen Flügeln fehlte, dass ich keinerlei Unterstützung verspürte. Ganz symptomatisch hat mir natürlich niemand Unterstützung angeboten, dafür trafen Ratschläge bei mir ein.

Den Menschen, die noch immer gerne Ratschläge erteilen, möchte ich etwas sagen, klar und deutlich. Ratschläge sind Schläge, wie das Wort schon sagt. Sie sind das Gegenteil von Unterstützung. Ein Ratschlag ist niemals Wind unter den Flügeln, sondern ein Schlag oben drauf. Wenn ich einen Ratschlag erteile, vermittle ich dadurch, dass ich etwas besser weiß als der von mir Geschlagene. Dass ich sein Leben und seine Situation besser kenne als er selbst. Mit einem Ratschlag ermächtige ich diesen Menschen nicht, ich entmächtige ihn. Ich erhebe mich über ihn, mache mich größer und ihn kleiner. Genauer gesagt mache ich nicht einmal mich größer, sondern mein Ego. Ratschläge sind eine Form von spiritueller Arroganz. Nicht die einzige, aber eine davon. Ein guter Tipp ist nur ein anderes Wort für Ratschlag, es ist dasselbe.

In der Zeit, als ich Shaumbra Österreich und Open Shaumbra betrieben habe, wandten sich viele Menschen an mich, die früher einmal in Foren geschrieben und nach einiger Zeit wieder damit aufgehört hatten, in der Regel recht verschüchtert. Sie hatten ausgedrückt, was sie erlebt und empfunden hatten und waren daraufhin mit guten Tipps erschlagen worden. Manche von ihnen wagten dann auf meiner Plattform wieder einen Selbstausdruck, weil da eine andere Energie herrschte. Und wenn dennoch jemand seine Ratschläge loswerden wollte, schritt ich ein. (Was mir natürlich die Schlagenden übel nahmen.) Ratschläge führen weg von der Weisheit des Suchenden und heben stattdessen die Weisheit des Ratschlagenden hervor. Damit führen sie weg vom Neuen Bewusstsein, hin zum alten Bewusstsein. Menschen, die sich – zum Teil durchaus suchend – in die Nähe von sagen wir mal Shaumbra begeben, suchen aber nach Neuem Bewusstsein, nicht nach altem.

Ich erhielt also gestern ein paar Ratschläge. Annehmen stand hoch im Kurs. Ganz klar, wenn jemand zu wenig hat, kann er nicht annehmen. Diese Diagnose kommt wie aus der Pistole geschossen wie die Diagnose eines klassischen Schulmediziners, der natürlich nicht auf die individuelle Situation des Patienten eingeht, sondern mit Tonnen von Wenn-Dann-Regeln vollgestopft ist, mit Verstandeswissen aus zweiter und dritter Hand. Die Ratschläge fühlten sich scheußlich an. Annehmen, mein Gott! Ich schreibe seit drei Jahren darüber, und ich könnte noch viel mehr darüber sagen. Ich konnte früher sehr, sehr schlecht bis gar nicht annehmen, das war wirklich sehr unangenehm. Und ich habe es gelernt. Ich habe mich mit Situationen beschenkt, in denen ich ausreichend Gelegenheit hatte, annehmen zu lernen. Heute kann ich sehr gut annehmen. Es regt sich dann und wann noch etwas in mir, wenn ich vor einem Geschenk stehe, das sagt, ich könne das doch nicht so einfach annehmen. Das ist aber klein und leise, und ich nehme trotzdem an. Aufrecht stehend, nicht klein in falsch verstandener Dankbarkeit zerfließend.

Aber, weil ich ja offen bin und keine Antwort hatte, trat ich dem Gedanken näher. Pfui, war das grauslich! Augenblicklich fühlte ich das kleine Kind in mir, das zurecht gewiesen wird und dem die „Weisheit“ der Erwachsenen übergestülpt wird. Dem gesagt wird, dass seine eigene Wahrnehmung falsch sei. Igitt! Viele Menschen haben anscheinend vergessen, wie sie als Kind gefühlt haben. Das ist schade, denn darin steckt sehr viel natürliche und ureigene Weisheit. Aber schon nach sehr kurzer Zeit sagte ich mir: „Ja, spinne ich denn!? Was mache ich denn da!? Misstraue ich etwa meinem Gefühl und meiner Wahrnehmung?“ Nein, tat ich nicht. Sofort war ich wieder im Vertrauen. Es ist nämlich genau dieses Vertrauen in die eigene Wahrnehmung, das zu mehr Bewusstheit führt. Nichts anderes. Ich weiß, wo ich stehe. Ich weiß, wie weit ich gekommen bin. Ich weiß, dass ich jede Erkenntnis selbst hatte. Äußere Quellen waren immer nur eine Bestätigung meiner Erkenntnisse, niemals die Auslöser. Ich habe dieses Vertrauen, und ich habe es schon lange.

Gestern am Abend vor dem Schlafengehen rauchte ich meine letzte Zigarette. Ich öffnete die Balkontür zum Garten, um die Katzen herein zu lassen. Und genau im Öffnen der Tür stand die Antwort vor mir. Plötzlich sah ich, wohin ich einen Großteil meiner Energie gab. Ich spürte es. Mein Körper sagte es mir in Zusammenarbeit mit meiner Intuition. Es war glasklar, fühlte sich absolut richtig an. Es war eben dieser Moment, wo ich weiß, wie etwas ist. Selbstverständlich kamen die Ratschläge nicht einmal ansatzweise in die Nähe der Lösung. Auch das, was ich mir selbst den Tag über so gedacht hatte, war weit davon entfernt.

Ich weiß nicht, ob ich jetzt schon in der Lage bin, die entsprechende Änderung herbei zu führen. Es geht um etwas sehr Fundamentales, sehr alt Eingesessenes. Fühlt sich im Moment etwas schwierig an, wie eine echte Hürde. Aber das macht nichts. Ich habe jetzt Bewusstheit darüber, damit ist ein Prozess eingeleitet. Das genügt vorerst. Und ich schreibe jetzt nicht, was es ist, denn ich will mir die nächsten Ratschläge ersparen.

Ich habe nicht mehr als einen Tag gebraucht, um etwas zu erkennen, wovon ich davor nicht einmal den Ansatz einer Idee hatte. Etwas, das mir wörtlich an Mark und Bein ging. Ich habe wahrgenommen, was war, habe es ausgedrückt und dadurch von innen an die Oberfläche und durch mein ganzes System gebracht. Einen Tag lang war das Thema präsent. Das genügte, um in Kombination mit meinem Selbstvertrauen von der völligen Ahnungslosigkeit zur Bewusstheit zu gelangen. Da würde ich doch gerne wissen, ob das die Damen und Herren mit den guten Tipps bei sich selbst auch so schnell hinkriegen.

Spirituelle Arroganz. Weit verbreitet. Und wahrscheinlich geht jeder einmal da durch. Wie Claudia schon sagte, was hilft, ist Bewusstheit. Ich habe einmal geschrieben, dass man in der Haltung der spirituellen Arroganz leicht stecken bleiben kann. Oder wie ich früher gerne gesagt habe: Das gefährlichste Wissen ist das Halbwissen. Da bleibt man auch gerne stecken. Nichtwissen ist nicht gefährlich. Halbwissen vermittelt einem den Eindruck des Wissens, wo man eigentlich nicht weiß. Darin liegt die Gefahr. Der ungebetene Ratschlag, der gute Tipp, ist so typisch für diese Haltung. Jemand glaubt, zu sehen. Dabei glaubt er, alles zu sehen und es ganz genau zu wissen. Und das muss er natürlich den anderen mitteilen.

Ich weiß genau, wovon ich rede, ich habe selbst gerne Ratschläge erteilt. Unmengen davon, und das ist noch gar nicht so furchtbar lange her. Mein Bedürfnis, anderen meine – natürlich einzig richtige – Meinung anderen aufzudrängen schwand in dem Maß, in dem ich bewusster wurde und somit mehr Wissen über mich und damit das Leben erlangte. Immer weniger wollte ich anderen was sagen, was ich für richtig hielt, nicht einmal dann, wenn ich ein klares Bild vor mir hatte. Durch Open Shaumbra und diverse Foren lernte ich viel dazu. Ich sah, wie unangenehm diese Ratschlagerei war. In wenigen Fällen war ich versucht, etwas zu sagen, verkniff es mir aber ganz einfach. Ab und zu versuchte ich, in einem Kommentar den anderen in Form einer Frage auf eine Fährte zu bringen. Das funktionierte auch ganz gut. Das Schöne für mich bei dieser Entwicklung war, dass mein Leben dadurch leichter wurde. Das Leben ist so viel leichter, wenn ich nicht mehr glauben muss, etwas besser zu wissen, und vor allem nicht mehr glaube, es dem anderen auch sagen zu müssen.

Sage ich heute einem Menschen, was ich in seinem Leben sehe? Ja, in drei Fällen. Erstens: Er bittet mich darum. Zweitens: Ich spüre seine Haltung, von mir etwas hören zu wollen. Drittens: Er nimmt ein Angebot von mir in Anspruch und lässt sich von mir beraten. Aber auch da erteile ich keine Ratschläge. In einer Kurzberatung o. ä. erzählt mir ein Mensch seine Situation. Ich antworte niemals mit irgendwelchen Standardfloskeln. Mit Dingen, die ich scheinbar aus meiner Erfahrung „weiß“. Ein Mensch spricht mit mir, er sendet seine Energie aus. Dabei entsteht in mir ein Bild, das nur bei diesem Menschen nur in dieser Situation entsteht. Dieses Bild teile ich ihm mit und überlasse es ihm, was er damit machen möchte. Es geht alles immer in Richtung Ermächtigung, nicht Richtung Entmächtigung.

Oder er steht vor einer Entscheidung und hört seine innere Stimme nicht. Er erzählt mir, was ihm alles durch den Kopf geht, und ich höre dann seine innere Stimme. Das teile ich ihm mit. Er weiß dann, was seine Wahl ist. Ich sage diesem Menschen nicht, was er tun soll, oder was jetzt das Beste für ihn wäre.

Ich meine, das zu spüren ist für einen bewussten Menschen so klar, so einfach. Ob etwas aus dem Verstand oder vom Ego oder von ihm selbst kommt, das ist so leicht! Es sind unterschiedliche Energien! Verstandesenergie fühlt sich komplett anders an als Herzensenergie. Ob jemand authentisch ist oder nicht, ob jemand für meine Sichtwiese offen ist oder nicht, ob jemand lügt oder seine Wahrheit spricht, ob jemand erwacht ist oder nicht, all das ist so leicht zu fühlen! Analysieren kann man das nicht, man kann es fühlen. Jeder Mensch fühlt das. Im eher unbewussten Zustand sehr subtil, er stülpt dann häufig sein Verstandeswissen über seine gefühlsmäßige Wahrnehmung drüber. Im eher bewussten Zustand vertraut er seiner Wahrnehmung.

Zu sagen, ich bin ein bewusster Mensch und ich fühle das, ist nicht arrogant. Claudia hat das Bild gebracht, das ich auch in meinem ersten Buch gebracht habe. Der Maturant ist auf einem bestimmten Weg weiter gekommen als der Schüler in der Unterstufe. Wenn der Maturant nun sagt, dass er Maturant ist, ist er deswegen nicht arrogant. Und der in der Unterstufe weiß, dass er eines Tages auch Maturant sein wird. Ich weiß, was Unbewusstheit und was Bewusstheit ist. Ich weiß, dass da ein Weg dazwischen liegt. Und ich bin heute so bewusst, dass ich weiß, wie bewusst ich bin und wo ich noch unbewusst bin. In dieser Bewusstheit fühle ich sehr präzise, welche Haltung Ratschlag erteilende Menschen ausdrücken und welche Wirkung ihre Ratschläge haben. In dieser Bewusstheit weiß ich, dass ich meine absolut richtige Antwort finde, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Meistens eher kurzer Zeit.

Vielleicht will ich einmal einen Rat haben. Dann suche ich mir aber selbst aus, wann und von wem. Bis dahin gilt: Manchmal antworte ich nichtwink