Der erwachende Mensch hängt ja oft – und oft für längere Zeit – in Gedanken und Sorgen. Er versucht herauszufinden, was da in seinem Leben vorgeht, wo er steht, was er tun möchte und was er tun kann, um endlich an sein Ziel zu gelangen. Und natürlich bearbeitet er seine Themen, die er sieht. Manchmal bringt ihn dieses Grübeln auf eine zündende Idee, doch meistens ist dieses Befasstsein mit sich selbst nicht fruchtbringend, im Gegenteil, es hält den Menschen im Problembewusstsein.
Zerstreuung ist oft das beste Hilfsmittel. Das kann alles Mögliche sein: fernsehen, ausgehen, mit Freunden quatschen (natürlich nicht übers Erwachen, sondern über irgendwas), spielen, tanzen, Musik hören, irgendwelche Veranstaltungen besuchen usw. usf. Natürlich kann auch ein Spaziergang eine Zerstreuung sein. Wichtig bei all diesen Aktivitäten ist nur, dass sie nichts mit dem Erwachensprozess und mit Problemen zu tun haben. Etwas, das den Menschen zum Lachen bringt, ist besonders gut.
Ich erinnere mich gut, dass sich in meinem Übergang meine Fernsehgewohnheiten völlig verändert haben. Früher sah ich mir gerne Spielfilme und alle Arten von Dokumentationen an. Und Nachrichten. Bei den Filmen war mir wichtig, dass es Filme mit „Tiefgang“ waren. Also Filme, bei denen es um ernste Probleme des Lebens ging und die viel mit Verstand zu tun hatten. Serien verabscheute ich, besonders die sogenannten seichten Serien.
Nachrichten konnte ich schon bald nicht mehr sehen. (Auch nicht hören oder lesen.) Die Filme kotzten mich an, es ging immer nur um Probleme, und zwar aus der Sicht des dualen, menschlichen Selbsts betrachtet. Und Dokus konnte ich auch nicht mehr sehen. Da ging es immer um Verstandeswissen, um das, was aus wissenschaftlicher Sicht richtig war. Dafür ertappte ich mich dabei, wie ich plötzlich eine Vorliebe für „seichte“ Filme entdeckte. Filme, bei denen es nicht wirklich um etwas ging, außer um „unrealistische“ Leichtigkeit und Spaß. Ebenso mochte ich plötzlich solche Serien. Außerdem mochte ich Filme, die der bloßen Phantasie entsprangen. Früher mochte ich nichts, was „unrealistisch“ war. – Kein Wunder, dass sich meine Gewohnheiten so geändert hatten, ich brauchte Zerstreuung! Ich musste weg von den ganzen Problemen. Ich brauchte was Leichtes und Heiteres.
Natürlich ist es wichtig, sich viel mit sich selbst zu befassen und viel Zeit mit sich selbst zu verbringen. Doch irgendwann wird das zur Gewohnheit, oder schlimmer, zur Sucht. Wenn du merkst, dass sich deine Gedanken wiederholen, oder dass du zum x-ten Mal dasselbe Thema durchkaust, ohne nennenswerte Fortschritte zu erzielen, dann ist es wirklich an der Zeit für Zerstreuung. Das Problem ist nämlich folgendes: Der Mensch befasst sich mit sich und seinen Themen recht bald aus der Position des alten, menschlichen Selbsts heraus. Aber mit dem menschlichen Selbst kommt man nie zu seinem göttlichen Selbst. Im Gegenteil, man begibt sich nur immer tiefer in das menschliche Selbst, das ja im Übergang sterben soll, nicht noch stärker weiterleben. Oder anders gesagt: Mit den Mitteln des Verstandes kommt man nicht aus dem Verstand heraus. Den Weg zum göttlichen Selbst kann man nicht erdenken.
Wie das Wort schon sagt, zerstreut die Zerstreuung. Sie zerstreut die Gedanken und all die anhaftenden Energien. Wie ich schon an mehreren Stellen geschrieben habe, passiert das Erwachen ganz von selbst, sobald man es gewählt hat. Man kann es nicht beschleunigen, nur verzögern. Die Zerstreuung bringt wieder einmal Distanz zu den alten, menschlichen Gewohnheiten des Denkens, Anhaftens und Festhaltens. Dadurch gibst du wieder einmal den Dingen den Raum, der nötig ist, damit sie passieren können. Dein Leben wird leichter, denn das ewige Grübeln und Nachdenken macht alles doch recht schwer. Und Lachen ist überhaupt die beste Medizin!
Die Zerstreuung sollte eine möglichst leichte und seichte Angelegenheit sein. Auf keinen Fall etwas, das dich wieder woanders hinein zieht, zB in das Drama anderer Menschen oder in Verstandesspiele. Es kommt dann wieder ganz von selbst das Bedürfnis, alleine zu sein, einfach nur mit sich zu sein. Dieses Alleinesein muss aber nichts mit Nachdenken und Themen Bearbeiten zu tun haben. Denn gerade das Alleinesein ohne Agenda, ohne diese menschliche Verstandesaktivität bringt Klarheit und Freude.
Besonders Menschen, die sich bereits von ihrem alten Job und von altenergetischen, anhaftenden Menschen getrennt haben, neigen dazu, viel zu viel in ihrem Verstand hin und her zu wälzen. Besonders diese Menschen können viel Zerstreuung gut gebrauchen. Wenn du allerdings noch einen „normalen“ Beruf hast und abends zu deiner Familie nach Hause kommst, solltest du mehr die Zeiten des Alleineseins suchen.
Es scheint paradox, aber gerade in den Zeiten der Zerstreuung bahnen sich oft ganz wesentliche Erkenntnisse ihren Weg an die Oberfläche. Oft ausgelöst durch winzige Kleinigkeiten irgendwo am Rande. Das ist eben deshalb so, weil man bei der Zerstreuung auf Distanz zum menschlichen Anhaften geht und anderen Instanzen in sich Raum gibt.