Es kommt immer wieder vor, dass mir Menschen sagen, dass sich bei mir alles so leicht anhört. Stärker und bedeutender noch, dass sich bei mir alles so leicht anfühlt. Wie ich mein Leben lebe, wie ich bis hierher gekommen bin, wo sich der Weg dahin ganz allgemein doch gar nicht so leicht anhört. Aber bei mir scheint es mit Leichtigkeit gegangen zu sein.
Wenn ich das höre, beginne ich sofort nachzudenken und nachzufühlen. Dabei stelle ich fest, dass es tatsächlich so leicht ist und dass vieles tatsächlich so leicht war. Bei mir. Gleichzeitig bemerke ich, dass einiges ganz schön mit Schwere beladen ist – und natürlich war. Manchmal treffen mich Kleinigkeiten so stark, dass ich einige Tage lang damit beschäftigt bin, und zwar mit Schwere, nicht mit Leichtigkeit. Eigentlich sind es immer Kleinigkeiten, wenn ich so nachdenke. Wirklich große, bedeutende Dinge stecke ich weg wie nichts. Ich sehe ihre Bedeutung und meine Entwicklungsmöglichkeit dabei. Kein Problem. Die scheinbaren Kleinigkeiten kommen so subtil daher und bohren etwas in mir an. Grmpf!
Was mich manchmal wundert, ist, dass ich eingangs genannte Aussage auch dann höre, wenn ich gerade in einer Phase bin, in der ich viel Schwere empfinde. Das bringt mich echt ins Grübeln. Ich verstelle mich nicht, ich gebe nichts vor, ich spiele nicht Leichtigkeit, wenn ich sie nicht empfinde. Außerdem sind meine Gesprächspartner, mit denen ich über die Themen des Lebens rede, wie ich sie sehe, Menschen, die fühlen können. Sie würden sofort bemerken, wenn ich ihnen etwas vorlügen würde. Abgesehen davon war ich immer schon ein entsetzlich schlechter Lügner, weshalb ich es auch äußerst selten getan habe.
Also denke ich mir: „Ich muss wohl ziemlich viel Leichtigkeit ausstrahlen, ungeachtet meiner momentan gefühlten Leichtigkeit oder Schwere. Also kann das, was ich im Moment eventuell als schwer empfinde, nicht so schwer sein.“ – Wie ich das schreibe, fällt mir gerade eine Geschichte ein. Jemand sagte einmal zu einer Freundin von mir, als sie empfand, dass es mir schlecht ginge: „Sieh mal, wenn es dem Reiner schlecht geht, musst du dir das so vorstellen, als ob du Urlaub in der Südsee machen würdest. Wenn es ihm gut geht, schwebt er in Sphären, die wir uns nur schwer vorstellen können.“ (Ungefähr wiedergegeben, ich habe mir hauptsächlich das mit der Südsee gemerkt.) Nun, ich halte diese Aussage für stark übertrieben, aber im Kern spricht sie wahrscheinlich etwas Wahres an. Wie könnte ich sonst etwas ausstrahlen, was jemand anderer als Leichtigkeit empfindet, wenn ich gerade Schwere empfinde?
Aber es kommt noch etwas dazu. Wenn ich mit jemandem über mein jetziges Leben und meinen Weg bis hierher spreche, fühlt sich das alles für mich leicht an. Mir fällt dabei sofort ein, wie im Vergleich dazu mein früheres Leben war, und wie das Leben der meisten Menschen jetzt ist. Im Vergleich dazu mache ich tatsächlich nichts anderes als Spaziergänge an einem sonnigen Sonntagnachmittag. Das fühle ich, und das strahle ich dann mit Sicherheit aus.
Und noch etwas. Wenn ich Schwere empfinde, und diese Schwere wirklich, wirklich unangenehm für mich ist, bringt mich das nicht eine Sekunde auch nur einen Millimeter von meinem Weg zu mir ab. Ich denke nicht daran, einen anderen – sprich alten – Weg einzuschlagen, nur weil mir meiner gerade steinig vorkommt. Also gehe ich weiter, und die Schwere löst sich wieder auf. Diese Gewissheit und diese Erfahrungen vermitteln vermutlich ebenfalls Leichtigkeit.
Je länger ich schreibe, desto mehr fällt mir ein. Da ist noch das große Thema der Scham. Ich spreche ja, wenn ich so erzähle, über meine Schwierigkeiten, und seien sie noch so groß und noch so „intim“, ohne Scham. Ich rede über meine Schwierigkeiten und Herausforderungen, über meine Schwere, genauso, wie wenn ich über irgendein anderes Thema reden würde. Mein Gesprächspartner nimmt also nicht wahr, dass ich eine Hürde überspringen muss, um das alles zu sagen. Da ist schon wieder Leichtigkeit, denn die Scham macht Probleme noch viel schwerer.
Ja, das meiste davon gilt auch für meine Vergangenheit. Nachdem meine Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein, immer größer war als meine Zweifel, war es auch nicht allzu schwer, über Stolpersteine zu gehen. Ich meine damit die Gewissheit, die mir vollkommen bewusst war, nicht nur die intuitive Gewissheit, die sich besonders am Anfang doch etwas schwer greifen lässt. Ein einziges Mal habe ich, wie viele andere auch, in meiner Verzweiflung wieder einen alten Weg eingeschlagen. Dabei bin ich so fürchterlich auf die Schnauze gefallen, wie ich das auf meinem Weg nie erlebt habe, nicht einmal annähernd. So eine Erfahrung bringt eine Menge Gewissheit.
Heute habe ich zurück geschaut, ungefähr an den Punkt, an dem ich den Anfang meiner bewussten spirituellen Reise ausmache. Und auf alles, was ich ab dann erlebt habe. Und bei aller Schwere, die ich oft empfunden habe, hat es eine Option nie gegeben: wieder zurück zu gehen. Diese Wahlmöglichkeit hatte ich nie. Da war und ist ein so starker und deutlicher Drang, einer bestimmten Richtung zu folgen und meine Wahlen entlang dieser Richtung zu treffen, dass es einfach nicht mehr zurück geht und nie ging. Mein Weg führte immer zu mehr Bewusstheit und mehr Freiheit. Seit ich den Unterschied zwischen meiner jeweils aktuellen Bewusstheit und der von früher einmal deutlich wahrnehmen kann (Und damit meine ich natürlich nicht Verstandeswissen!), verstehe ich Tobias’ Worte: „Du kannst nicht ent-wissen.“ Und diese Unmöglichkeit, erlangtes inneres Wissen wieder zu vergessen, versperrt den Weg zurück.
Zweifel hatte ich immer wieder, und manchmal melden sie sich auch heute noch. Ich meine die grundlegenden Zweifel, ob mein Weg richtig, ja überhaupt möglich ist. Früher einmal wog, wie gesagt, die Gewissheit schwerer, aber ich kam echt ins Überlegen. Heute sind die Zweifel so selten und leise und klein, dass sie beim ersten zarten Anflug auch schon wieder weg sind. Ich kenne natürlich andere Zweifel, ob innerhalb meiner Richtung bestimmte Wege möglich sind. Ob es mir gelingen wird, Wahlen zu treffen, die ich treffen möchte. Ob es mir gelingen wird, zu erschaffen, was ich erschaffen möchte. Aber Zweifel über die Richtung sind praktisch nicht vorhanden. Auch das erzeugt Leichtigkeit.
Schließlich muss ich bei diesem Thema an einen lieben Menschen denken, den viele Leser zumindest übers Internet kennen. Ihr Name ist Joya. Sie vermittelt jedem – oder zumindest fast jedem – Menschen, der ihr begegnet, Leichtigkeit. Ich kenne sie näher als die meisten, die dies hier lesen, und weiß um ihre Phasen der Schwere. Was tat sie? Sie ging weiter, sie ließ sich nicht beirren. Und das hört sich in Erzählungen dann immer leicht an.
Was mache ich jetzt, wenn ich Schwere habe? Oh, ich kann schon eine Zeitlang in Zweifel und Sorgen versinken. Und ich gehe weiter. Was macht Joya in Phasen der Schwere? Sie geht weiter. Vielleicht vermittelt dieses unbeirrbare Weitergehen Leichtigkeit. Vielleicht ist diese Leichtigkeit das Strahlen von Leuchttürmen. Denn eines ist klar, und das sage ich heute, wo ich den dritten Tag Schwere empfinde: Ich habe zurück geschaut, noch weiter zurück, und im Vergleich zu meinem früheren Leben ist mein Leben heute leicht. Alles andere ist eigentlich Jammern auf hohem Niveau.
Es gibt auch Menschen, die bei mir zu einem großen Teil Schwere empfinden. Manchen Menschen erzähle ich eben öfters von den Dingen, die mich quälen. Schamlos natürlich. Die empfinden das eben so, wie sie es verstehen. Und darüber mache ich mir keine Gedanken.